SZ + Update Sport
Merken

Chemnitzer Trainerin verklagt den Turnerbund

Gabriele Frehse will juristisch die Einsicht in den Untersuchungsbericht durchsetzen – und sie wehrt sich auch gegen aus ihrer Sicht falsche Behauptungen einer Turnerin.

Von Sven Geisler
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Trainerin Gabriele Frehse reicht Klage gegen den Deutschen Turner-Bund ein.
Trainerin Gabriele Frehse reicht Klage gegen den Deutschen Turner-Bund ein. © picture alliance/Catalin Soare/dpa (Archiv)

Chemnitz. Es sind schwere Vorwürfe, die Turnerinnen gegen ihre ehemalige Trainerin in Chemnitz erheben. Sie seien von Gabriele Frehse verbal erniedrigt und schikaniert worden. Laut dem Untersuchungsbericht einer Rechtsanwaltskanzlei wurden „in 17 Fällen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Anwendung psychischer Gewalt durch die Trainerin“ festgestellt. Frehse hat mehrfach gefordert, diese Unterlagen einsehen zu können, um konkret darauf reagieren zu können.

Am Dienstag hat die 60-Jährige nun beim zuständigen Landgericht in Frankfurt am Main Klage gegen den Deutschen Turner-Bund (DTB) eingereicht. Damit will sie auf juristischem Weg ihren Anspruch geltend machen, vollständigen Einblick in den im Januar vorgestellten Bericht zu bekommen. Nach einer Beschwerde beim zuständigen Datenschutzbeauftragten in Hessen hatte sie in dieser Forderung prinzipiell Recht bekommen. Demnach sollte der Verband ihr zeitnah Einsicht gewähren, sofern durch eine Anonymisierung eine konkrete Zuordnung einzelner Aussagen zu einer bestimmten Athletin ausgeschlossen werden.

Tatsächlich habe der DTB Frehse daraufhin eine Version des Untersuchungsberichts übersandt, heißt es in einer Pressemitteilung des TuS Chemnitz-Altendorf, für den sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Trainerin tätig ist. Hauptberuflich ist sie beim Olympiastützpunkt Sachsen angestellt und seit Ende vorigen Jahres freigestellt, als die unter anderem von Ex-Weltmeisterin Pauline Schäfer erhobenen Vorwürfe durch Berichte im Magazin Der Spiegel öffentlich geworden sind.

Frehse beklagt nun, dass die ihr nun vorliegende Fassung so umfassend geschwärzt wurde, dass die Vorwürfe der Turnerinnen nicht nachzuvollziehen sind und es ihr unmöglich gemacht werde, sich damit auseinanderzusetzen. Demnach enthalten von 223 Seiten 172 Schwärzungen, rund ein Drittel seien sogar nahezu vollständig unleserlich gemacht worden. Die nicht geschwärzten Stellen sollen im Wesentlichen lediglich Ausführungen zur Methodik des Berichts sowie die Aussagen von Frehse selbst enthalten.

Verband sieht Verfahren gelassen entgegen

„Je länger diese Situation andauert, desto mehr frage ich mich, was der DTB zu verbergen hat und warum er weite Teile des Untersuchungsberichts vor mir geheim halten will“, erklärt die Trainerin. Vonseiten des DTB heißt es dagegen, man habe Frehse „in dem Umfang Einsicht … gewährt, in dem dies datenschutzrechtlich zulässig ist“. Es stehe ihr frei, sich an die Gerichte zu wenden. Dem Verfahren sehe der DTB gelassen entgegen.

Dies gelte auch, sofern Frau Frehse im Untersuchungsbericht enthaltene Äußerungen beanstandet. In der Mitteilung des TuS heißt es, dass selbst die wenigen Teile, die im geschwärzten Dokument nachvollziehbar sind, „aus Sicht der Trainerin unwahre Behauptungen enthalten“. Auch deswegen habe sie rechtliche Schritte gegen den DTB und die untersuchende Kanzlei eingeleitet. Außerdem habe Frehse im März eine erste Klage gegen eine der beteiligten Turnerinnen wegen der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen beim Landgericht Chemnitz eingereicht.

Frehse hatte gegen die Beschuldigungen von Anfang an verwahrt, sich aber für den Fall entschuldigt, dass sich ehemalige Schützlinge von ihr beleidigt gefühlt haben. Das sei nicht ihre Absicht gewesen. Insgesamt hatten sich gegenüber dem Spiegel 14 Turnerinnen geäußert. Im Raum steht auch, dass die Trainerin in mindestens einem Fall Medikamente ohne ärztliche Verordnung an eine Sportlerin abgegeben haben soll. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletzung.

Allerdings hatte sich der DTB bereits vor der Weltmeisterschaft in Stuttgart 2019 mit Anschuldigungen gegen Frehse beschäftigt und Konsequenzen gezogen. So wurde ihr laut einem Gesprächsprotokoll, das vom Internetportal Gymmedia.de auszugsweise veröffentlicht worden ist, arbeitsrechtlich durch den Olympiastützpunkt eine Abmahnung wegen „des leichtfertigen Umgangs bei der Verabreichung von Medikamenten gegenüber Minderjährigen“ erteilt. Des Weiteren wurde sie vom DTB bis zum Abschluss der WM im Oktober 2019 von der Auswahl ausgeschlossen.

Eltern machen sich für Rückkehr der Trainerin stark

Außerdem wurde festgehalten, „die Anwürfe der Turnerinnen Pauline und Helene Schäfer im Hinblick auf die Ausübung möglicher psychischer Gewalt im Training gegenüber anderen Turnerinnen“ müssten geprüft werden. Nach einem Gespräch am 9. Dezember 2019 wurde dann jedoch protokolliert, dass „keinerlei Anhaltspunkte für ein mögliches Fehlverhalten von Frehse“ festgestellt worden sind. Deshalb gebe es aus Sicht des DTB keine Gründe mehr, diese Maßnahmen und Anwürfe aufrechtzuerhalten oder weiter zu verfolgen.

Dagegen hat der Untersuchungsbericht vom Januar dieses Jahres „schwerwiegende Pflichtverletzungen“ der Trainerin festgestellt. Diese Einschätzung teilen jedoch die 24 derzeit am Bundesstützpunkt Chemnitz aktiven Turnerinnen um Sophie Scheder, Bronzemedaillengewinnerin bei Olympia 2016 in Rio, und deren Eltern nicht. Sie hatten sich in einem offenen Brief dafür eingesetzt, dass Frehse in die Turnhalle zurückkehren kann. Frank Munzer, Präsident des TuS, spricht von einem „absolut unbefriedigenden Schwebezustand“, der für die jungen Turnerinnen auch mental sehr belastend sei.

„Auf dem Rücken der Mädchen wird ein Kampf ausgetragen, in dem es nur Verlierer geben kann“, sagt der Vereinschef – und fragt: „Man wirft Frau Frehse psychischen Missbrauch vor, aber was ist mit dem Kindeswohl unserer Turnerinnen? Sie sind auch psychisch schlecht drauf.“

Auf juristischem Wege allein wird sich dieser Fall kaum lösen lassen.