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Sachsens Bauern erwarten weiter steigende Preise durch schlechte Ernte

Die Ernte beginnt so früh wie nie, Sachsens Bauern ringen wieder mit der Dürre. Ihre Treckerdemos haben andere Gegner.

Von Georg Moeritz
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Wieder ein trockenes Jahr: Die Gerste-Ernte ist in Sachsen schon beendet, nun sinken die Erträge bei Roggen und Raps.
Wieder ein trockenes Jahr: Die Gerste-Ernte ist in Sachsen schon beendet, nun sinken die Erträge bei Roggen und Raps. © dpa

Wittichenau. Mähdrescher ziehen Staubfahnen über die Felder der Oberlausitz, Störche und Raubvögel folgen ihnen. Ein großer Teil der Getreide-Ernte ist allerdings schon eingefahren, als Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk am Freitag auf einem Roggenfeld bei Wittichenau offiziell die Ernte eröffnet. Sie hat in vielen Regionen Sachsens so früh begonnen wie nie.

Benno Mroß hat einen Teil seiner Wintergerste schon verkauft, ein anderer Teil liegt nun in dicken Plaste-Schläuchen als Futter für die 220 schwarzbunten Milchkühe auf Vorrat. Mroß leitet mit Tobias Kockert einen Bauernhof mit 50 Beschäftigten in einer trockenen Gegend, mit mageren Böden.

Von den vergangenen vier Jahren waren drei Dürre-Jahre, zeitweise zahlte der Staat Hilfsgelder an notleidende Landwirte. Geschäftsführer Mroß berichtet, dass in diesem Jahr zwei Gras-Ernten nur so viel Futter zusammenbrachten wie im vorigen Jahr der erste Schnitt alleine.

Molkerei zahlt bis zu 51 Cent pro Liter Rohmilch

Ob ein drittes Mal gemäht werden könne – derzeit sehe es nicht danach aus. „Erschreckend“ findet Mroß die Dürre. Womöglich müsse er Futter dazukaufen. Dabei hat der Betrieb im Ortsteil Kotten gute Voraussetzungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft: Mehr als 2.200 Hektar Ackerland und 265 Hektar Wiesen und Weiden sind eine Menge, vor der viele Bauern in Westdeutschland nur träumen können. Die Wurzeln des Unternehmens liegen in einer Landwirtschaftlichen Produktions-Genossenschaft (LPG), einem DDR-Großbetrieb.

Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne, links im Bild) und Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk haben per Mähdrescher offiziell die Getreideernte auf einem Feld bei Wittichenau eröffnet.
Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne, links im Bild) und Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk haben per Mähdrescher offiziell die Getreideernte auf einem Feld bei Wittichenau eröffnet. © dpa/Robert Michael

Das Futter ernährt normalerweise die Kühe, ihre Gülle füttert eine Biogasanlage und düngt danach noch die Felder für neues Wachstum. In seiner Schaukäserei „Krabat-Milchwelt“ empfängt Geschäftsführer Kockert gerne Schulklassen und verkauft im Hofladen den halbfetten Krabatello-Käse für 1,65 pro 100 Gramm, den Liter Vollmilch für 1,50 Euro. Auch Prospekte zum Urlaub in der Lausitz liegen aus, daneben gibt es Produkte von Nachbarbetrieben.

Doch wegen Corona blieben zeitweise die Gäste aus, und die Trockenheit in diesem Jahr hat zusammen mit Schädlingen die Raps-Menge pro Hektar halbiert und den Gerste-Ertrag verringert. Für jedes Kilo bekommen die Bauern allerdings in diesem Jahr mehr Geld, für den Liter rohe Milch zuletzt 51 Cent von der Molkerei – weit mehr als den Wunschpreis, den protestierende Bauern vor einigen Jahren forderten.

Bauernpräsident: Nächste drei Jahre kein Preisrückgang

Doch Mroß sagt, wegen der gestiegenen Kosten komme „unterm Strich gleich viel heraus, vielleicht weniger“. Für Diesel und Dünger müsse er jedenfalls mehr bezahlen. Bauernpräsident Krawczyk, der mit seinem Bruder einen Hof bei Döbeln bewirtschaftet, sagt weiter steigende Lebensmittelpreise voraus. In der Vergangenheit seien den Bauern „unfaire Preise“ bezahlt worden.

Die deutschen Verbraucher hätten sich daran gewöhnt, für Lebensmittel wenig Geld auszugeben. Für die nächsten zwei, drei Jahre erwarte er keinen Rückgang der Preise. In manchen Regionen Sachsens falle die Ernte „katastrophal“ aus. Die Erträge würden insgesamt wohl nur das Niveau der trockenen Jahre 2019 und 2020 erreichen. Auch für die „Hackfrüchte“ Kartoffeln und Zuckerrüben fehlt noch Wasser, allerdings bauen die sächsischen Landwirte davon weniger an – stattdessen haben sie mehr Sonnenblumen gesät. Öl aus Ölfrüchten ist begehrt.

Bauernhof mit neuem Kuhstall, Solar- und Biogasanlage: Zur MKH-Agrar-Produkte-GmbH Wittichenau gehört auch die Krabat-Milchwelt mit Schaukäserei.
Bauernhof mit neuem Kuhstall, Solar- und Biogasanlage: Zur MKH-Agrar-Produkte-GmbH Wittichenau gehört auch die Krabat-Milchwelt mit Schaukäserei. © Georg Moeritz

Was hilft gegen die Dürre? Landwirt Mroß erinnet an alte Drainagesysteme mit Wehren und Schiebern, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr gepflegt worden seien. Thüringen lasse schon neue Regenrückhaltebecken als Speicher bauen. Bauernpräsident Krawczyk fordert „von Vater Staat“ Zuschüsse zu einer Mehrgefahrenversicherung, die auch das Risiko Dürre abdeckt. Darüber wird seit Jahren diskutiert, gerade begutachtet Günthers Ministerium ein neues Gutachten dazu.

Bauern protestieren gegen Beschränkung bei Dünger

Der Minister sagt, Patentrezepte gebe es nicht, aber Beratung zum Umstellen auf andere Feldfrüchte, auf Diversifizierung. „Wir müssen als Volkswirtschaft widerstandsfähiger werden.“

Die Bauern machen sich nicht nur Sorge über Dürre und steigende Kosten. In den Niederlanden haben Landwirte jüngst Straßen blockiert, weil der Staat dort wegen des Ammoniak-Ausstoßes die Tierhaltung stark einschränken will. Dort drohe „Enteignung“, sagt Krawczyk. Allerdings würden die niederländischen Kollegen entschädigt und könnten mit dem Geld womöglich Anteile an deutschen Bauernhöfen kaufen.

In Sachsen dagegen sei noch Platz für mehr Nutztiere, sagen Krawczyk und der Minister. Die beiden betonen, regelmäßig miteinander zu sprechen. In Deutschland verlangt der Staat allerdings von den Bauern, auf einem Teil der Felder („rote Gebiete“) weniger zu düngen, weil zu viel Nitrat im Grundwasser ist. Dagegen gab es schon Treckerdemos in Sachsen, und jüngst demonstrierte der Verein „Land schafft Verbindung“ unter anderem gegen die Vorschrift, vom nächsten Jahr an vier Prozent der Äcker stillzulegen – zwecks Naturschutz. Günther sagte, dort könnten zum Beispiel neue Hecken entstehen, die Wind und damit Austrocknung bremsen. Umweltschutz und Betriebswirtschaft seien keine Gegensätze.

Für Fotografen immer eine Schau: Der offizielle Erntebeginn mit Mähdrescher, diesmal im Wittichenauer Ortsteil Kotten auf einem Roggenfeld. Die Gerste war schon geerntet.
Für Fotografen immer eine Schau: Der offizielle Erntebeginn mit Mähdrescher, diesmal im Wittichenauer Ortsteil Kotten auf einem Roggenfeld. Die Gerste war schon geerntet. © Georg Moeritz

Ärger über Stilllegung und EU-Agrarreform

Viele Bauern halten Stilllegung für falsch, angesichts von weltweiter Lebensmittelknappheit. Der Betrieb in Wittichenau allerdings hat teilweise so schlechte Böden, dass andere Landwirte sie zur Erfüllung ihrer Stilllegungspflichten übernehmen könnten.

Unterdessen arbeiten Europäische Union und der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) weiter an der Agrarreform. Die Bauern sollen künftig pro Hektar statt 280 Euro nur etwa 150 Euro im Jahr als Basis-Subvention bekommen.

Für bestimmte Naturschutzleistungen soll es mehr Geld geben, aber die Vorschriften sind noch nicht fertig – zum Ärger der Bauern, die jetzt die nächste Aussaat planen müssten. Bauernpräsident Krawczyk rechnet dennoch für die nächste Zeit nicht mit großen Demonstrationen in Sachsen: „Wir haben mit der Ernte zu tun.“