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Dramatischer Appell von Dresdner Kliniken

Corona bringt die Dresdner Krankenhäuser ans Limit. Nun wenden sie sich mit einer konkreten Bitte an die Bevölkerung und warnen vor Zuständen wie in Bergamo.

Von Julia Vollmer & Sandro Pohl-Rahrisch
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Corona bringt Dresdner Kliniken ans Limit. Nun wenden sie sich an die Bevölkerung.
Corona bringt Dresdner Kliniken ans Limit. Nun wenden sie sich an die Bevölkerung. © dpa

Dresden. Mit einem dramatischen Appell richten sich die Dresdner Krankenhäuser an die Menschen in der Region, um auf die zugespitzte Lage bei der Versorgung von Corona-Patienten aufmerksam zu machen. Inzwischen habe der massive Anstieg der schwer erkrankten Infizierten auch die Kliniken in Dresden an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht, heißt es in einem Brief, den die Häuser am Mittwochvormittag gemeinsam veröffentlicht haben.

"Corona ist real", sagt Dr. Mark Frank, der die Notaufnahme am Städtischen Klinikum leitet. Jeden Tag würden er und seine Kollegen Patienten erleben, die schwer krank sind, Patienten, die sterben, sowie Pflegekräfte und Mediziner, die an ihre Grenzen gehen und Tränen in den Augen haben.

Viele vom Coronavirus ausgelöste Erkrankungen würden zwar mild verlaufen. Doch bereits deutlich spürbare Symptome wie der Verlust des Riech- und Geschmacksinns könnten hartnäckig sein und chronisch werden. Was den Medizinern und Pflegekräften die größten Sorgen bereitet, seien die sehr schweren Fälle.

"Pflegekräfte und Ärzte arbeiten am Limit"

Wie angespannt die Lage in den Dresdner Krankenhäusern inzwischen ist, zeigt auch eine Einschätzung der Dresdner Stadtverwaltung. Demnach waren am vergangenen Freitag bereits 83 Prozent der Betten für Corona-Patienten auf Normalstationen belegt, auf den Dresdner Intensivstationen waren es 86 Prozent.

Dabei handelte es sich laut Stadt nicht nur um sofort verfügbare Betten, sondern auch um Reservebetten, die innerhalb von sieben Tagen zusätzlich belegt werden können. Eine Überlastung der stationären Versorgung in der Landeshauptstadt sei bei fortschreitendem Infektionsgeschehen daher nicht mehr ausgeschlossen.

Das Städtische Klinikum hatte in der vergangenen Woche bereits die Aufnahme von Corona-Patienten stoppen müssen, da alle Kapazitäten ausgeschöpft waren. Nur so konnte sich die Situation dort etwas entspannen. Seit Montagabend können wieder Covid-19-Erkrankte aufgenommen werden. Dennoch bleibt die Lage höchst angespannt: Das Städtische Klinikum versorgt mit Stand vom Dienstagabend 120 Corona-Patienten, darunter 21 intensivmedizinisch.

Stadtweit gesehen waren am Mittwochvormittag nach Angaben des Deutschen Intensivregisters rund 86 Prozent der Intensivbetten in Dresden belegt, davon etwa 21 Prozent mit Corona-Patienten. Die Mehrheit muss künstlich beatmet werden.

Für fast alle Corona-Patienten sei diese Infektion eine Grenzerfahrung, heißt es in dem Brief weiter. Das gelte auch für die Dresdner Krankenhäuser. Im Extremfall könne man nicht mehr für alle Patienten in der gewohnt hohen Behandlungsqualität da sein. "Bereits heute arbeiten Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzte am körperlichen und seelischen Limit." Der Appell, den die Krankenhäuser an alle Dresdner, aber auch die Menschen über die Stadtgrenzen hinaus senden, lautet daher: Haltet die Hygiene- und Abstandsregeln ein und beschränkt eure Kontakte auf das wirklich Notwendige.

Die Situation in den Kliniken ist sehr ernst

Die zweite Corona-Welle mit deutlich mehr schwer Erkrankten als im Frühjahr mache in den Kliniken immer neue und weitreichendere Entscheidungen notwendig. Innerhalb weniger Wochen hätte man viele Patienten versorgen und dafür die Infrastruktur und das Personal bereitstellen müssen. Um das zu schaffen, mussten geplante Eingriffe verschoben werden. "Neben der sehr aufwendigen Versorgung dieser Patienten gilt es, die gesamte medizinische Versorgung für die Landeshauptstadt und die Region abzusichern, um auch weiterhin Notfälle und lebensbedrohliche Erkrankungen uneingeschränkt behandeln zu können", so die Krankenhäuser.

Von den rund 8.200 Dresdnern, bei denen das Coronavirus nachgewiesen wurde, benötigten bislang 5,7 Prozent Hilfe in einem Krankenhaus. Hinzu kommen Patienten von außerhalb, die in der Stadt behandeln werden, da die Kapazitäten in anderen ostsächsischen Krankenhäusern noch knapper sind.

Was die Lage zusätzlich verschärft, sind die vergleichsweise langen Aufenthalte der Covid-19-Erkrankten. Wer künstlich beatmet werden muss, bleibt im Schnitt 18 Tage auf der Intensivstation. Eine höhere Sterblichkeit und eine längere Beatmungsdauer würden Covid-19 von der saisonalen Grippe unterscheiden, so die Experten des Robert-Koch-Instituts.

"Gegenwärtig profitieren wir in Dresden und Ostsachsen noch von der aufgebauten regionalen Koordinierungsstruktur. Mit unserer Krankenhausleitstelle können wir sowohl die Versorgung von Covid-19-Patienten als auch die Versorgung der weiteren Patienten steuern und absichern", sagt Professor Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden. "Damit das so bleibt, müssen wir zusammenstehen und die Regeln zu unserem eigenen Schutz und dem Schutz unserer Mitmenschen beherzigen."

Nur so würden sich die Zustände wie aus dem Frühjahr in Bergamo, Straßburg oder New York verhindern lassen. Es sei ein Zeichen von Respekt gegenüber den Ärzten und Pflegern, wenn jeder die Hygiene- und Abstandsregeln einhält und seine Kontakte reduziert, fügt Peter Pfeiffer, der Geschäftsführer des Krankenhauses St.-Joseph-Stift, hinzu.

Gesundheitssystem könnte kollabieren

Die Dresdner Kliniken betonten am Mittwoch auch, wie enorm die Belastung und deren Dauer für die ganze Belegschaft seien. Es gebe kaum Zeit zum Durchatmen. Unter diesen Bedingungen lasse sich nicht mehr ausschließen, dass das Gesundheitssystem kollabiere. Denn auch kurzfristig sinkende Infektionszahlen führten nicht unmittelbar zum Rückgang der zu versorgenden Patienten. "Die intensivmedizinischen Kapazitäten sind begrenzt. Damit diese ausreichen und wir weiterhin für alle Menschen da sein können, brauchen wir Ihre Unterstützung", sagt Dr. Thorsten Jacobi, der Ärztliche Direktor des Diakonissenkrankenhauses.

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