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Dresdner Asyl-Debatte: "Dann wird die Messe wieder zur Massenunterkunft"

Dresden wird dieses Jahr rund 2.200 neue Geflüchtete aufnehmen müssen. Dafür will die Stadt Container aufstellen. Sollte der Stadtrat dagegen stimmen, gebe es nur noch zwei Alternativen, sagt OB Hilbert.

Von Andreas Weller & Dirk Hein
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Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat am Donnerstag zwei Eilanträge zur Flüchtlingsunterbringung in der Stadt abgelehnt.
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat am Donnerstag zwei Eilanträge zur Flüchtlingsunterbringung in der Stadt abgelehnt. © Sven Ellger

Dresden. Die Landeshauptstadt will bis zum Herbst an neun Standorten im Stadtgebiet Wohncontainer für jeweils 48 bis 152 Geflüchtete errichten lassen. Nur so kann die große Anzahl an Geflüchteten, die momentan Dresden zugewiesen werden, annähernd untergebracht werden.

Die Diskussion darüber wird immer ruppiger. Die Linke wirft OB Dirk Hilbert (FDP) Feigheit vor. Er würde sich der Debatte über die Standorte nicht stellen. Und die CDU will per Beschluss erreichen, das Dresden nicht länger ein "sicherer Hafen" für Geflüchtete ist. Zu beiden Streitfragen hat Hilbert am Donnerstag im Stadtrat Stellung genommen.

2.200 neue Geflüchtete

Hintergrund der Debatte sind die hohen Flüchtlingszuweisungen. Dresden muss deutlich mehr Asylbewerber aufnehmen, als ursprünglich gedacht. Laut OB Hilbert sollen 2023 insgesamt 2.200 Geflüchtete neu in Dresden ankommen. Für 1.600 Personen davon werden noch Plätze gesucht. "Gerade einmal die Hälfte erreichen wir mit dem Aufbau der jetzt geplanten Mobilen Raumeinheiten", sagt der OB zu den neun geplanten Containerstandorten. "Als Oberbürgermeister werde ich alles daran setzen, dass wir diese Pflichtaufgabe erfüllen werden."

Weitere Vorlagen für die Unterbringung Geflüchteter würden folgen, kündigte der OB den Stadträten an. Es würden auch weiterhin Hotelplätze angemietet werden müssen.

Die jetzt vorgeschlagenen insgesamt neun Standorte für "Container-Dörfer", zum Beispiel in der Nähe des Sachsenplatzes, an der Pirnaer Landstraße und in Weißig, seien im Vorfeld umfassend geprüft worden. Laut Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) hatte Dresden weitere 20 Standorte verworfen. Grund dafür waren zum Beispiel Lärmprobleme. Andere Flächen würden "zwingend anderweitig genutzt".

Hilbert äußerte sich auch zu der Frage, welche Folgen eine Ablehnung der Container-Pläne der Stadt haben würden. "Wir müssten dann die Messe außer Betrieb nehmen und als Massenunterkunft umfunktionieren. Im nächsten Schritt müssten Turnhallen belegt werden – mit allen Konsequenzen für den Schulsport und die Sportvereine."

Eilanträge "extrem populistisch"

Per Eilantrag wollten die Linken OB Hilbert auffordern, an der geplanten Bürgerveranstaltung über die Container-Standorte teilzunehmen. Diese findet am kommenden Freitag in der Dreikönigskirche statt. Außerdem sollte der OB bei den Sitzungen des Ortschaftsrats Schönfeld-Weißig und der Stadtbezirksbeiräte anwesend sein.

Hilbert: "Ich habe mich noch nie vor Diskussionen gedrückt. Aber ich habe Bürgermeister, die in der Lage sind, ihre eigenen Pläne in der Öffentlichkeit zu vertreten. Ich werde mir vorbehalten, zu einzelnen Veranstaltungen zu gehen, ich lasse mir dies aber nicht diktieren." Hilbert ließ den Eilantrag der Linken nicht zu.

Auch der Eilantrag der CDU, Dresden solle nicht länger "sicherer Hafen" für Geflüchtete sein, kam nicht auf die Tagesordnung am Donnerstag. "Ich empfinde beide Anträge als extrem populistisch und dies in einer Situation, in der Sachlichkeit für alle demokratischen Kräfte das oberste Gebot sein sollte." Dresden habe auf Grundlage des im März 2022 getroffenen Beschlusses zum "Sicheren Hafen" keinen einzigen Flüchtling zusätzlich aufgenommen, als gesetzlich gefordert.

Hilbert sprach die CDU eindringlich an: "Mit Blick auf den Eilantrag will ich eines deutlich sagen: Das Recht auf Asyl, also der Schutz von Menschen, die ihr Land aus politischen oder religiösen Gründen verlassen müssen, ist untrennbar mit den Werten unserer demokratischen Gesellschaft verknüpft."

OB Hilbert bleibt ohne Stellvertreter

Die neuen Flüchtlingsunterkünfte waren nicht das einzige Thema im Stadtrat. Eigentlich sollte es auch darum gehen, wer Dresdens Erster Bürgermeister und damit Stellvertreter von Dirk Hilbert wird. Die Debatte darüber hat sich zum zweiten großen Reizthema zwischen dem OB und dem Stadtrat nach dem Dresdner Bürgermeisterstreit entwickelt, wurde am Donnerstag aber wieder nicht entschieden.

Hintergrund: Zwischen OB Hilbert und den Stadtratsfraktionen, die die Bürgermeister stellen - also Grüne, Linke und CDU - gibt es Uneinigkeit, wer den mächtigen Stellvertreterposten bekommen soll.

Hilbert will Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU), die Grünen fordern den Posten für sich, weil sie stärkste Fraktion sind, und schlagen Stephan Kühn (Bau, Grüne) vor. Die Linke hat sich noch nicht geäußert, welche Reihenfolge sie will, kritisiert aber Hilberts Vorschlag. Die SPD schlägt Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) als Vize-OB vor.

Am Donnerstag stand die Entscheidung dazu eigentlich auf der Tagesordnung des Stadtrates. Zu Beginn erklärte Hilbert jedoch, dass er die Vorlage absetzt. "Ich werde sie erst wieder am 11. Mai aufrufen, wenn auch die Wahl des Wirtschaftsbürgermeisters vorgesehen ist. Es gibt noch Gesprächsbedarf dazu."

Im Mai soll der offene Bürgermeisterposten besetzt werden, der im Januar nicht gewählt wurde, weil CDU-Kandidat Steffen Kaden keine Mehrheit im Rat erhielt. Mittlerweile hat Kaden erklärt, dass er nicht mehr zur Verfügung steht.