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Früherer FDP-Landeschef Holger Zastrow tritt aus der FDP aus

Der Dresdner FDP-Mann Holger Zastrow habe lange überlegt, wie es für ihn politisch weitergehe, sagt er. Nun hat er eine Entscheidung getroffen, die für viele überraschend sein dürfte.

Von Andreas Weller
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Der Dresdner Stadtrat und frühere FDP-Landeschef Holger Zastrow tritt aus der FDP aus.
Der Dresdner Stadtrat und frühere FDP-Landeschef Holger Zastrow tritt aus der FDP aus. © Matthias Rietschel

Dresden. Holger Zastrow kann mit Fug und Recht als FDP-Urgestein bezeichnet werden. Der langjährige Chef der Sachsen-FDP war bereits im Bund Vize der Liberalen und sitzt aktuell noch im Dresdner Stadtrat für die Partei. Überraschend hat der 55-Jährige am Dienstag bekanntgegeben, aus der FDP noch am selben Tag austreten zu wollen. Warum?

Seinen Weggang von den Liberalen begründet Zastrow mit der Berliner Politik. Die FDP ist Teil der Regierungskoalition, der auch SPD und Grüne angehören. Erst am Montag postete der Politiker bei Facebook ein Bild von einem Traktor, das ein Transparent mit der Aufschrift "Die Ampel muss weg" zeigt. Das Foto kommentierte er mit den Worten: "FDP, du hast dich verrannt, bitte kehre um!"

"Politik hat die Mehrheit aus dem Blick verloren"

"Es tut mir in der Seele weh, die FDP nach 30 Jahren zu verlassen", so Zastrow. Der Auftritt von Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sei "nicht mehr auszuhalten" gewesen. "Die eigenen Leute gehen verloren. Wer soll die FDP noch wählen? Das ist der falsche Weg, dafür will und kann ich meinen Kopf nicht hinhalten." Auch die Zusammenarbeit mit den Grünen gehe für Zastrow "gar nicht". "Sie sind eine Gefahr für die FDP-Grundwerte, haben nichts mit einer Mehrheitsmeinung zu tun und ruinieren die Grundlage für eine gute Zukunft."

Bereits in der vergangenen Woche schrieb Zastrow zu den Bauernprotesten: "Auf den Bauernprotesten in Dresden hat man nicht nur die Landwirtschaft getroffen, sondern sehr viele Gewerke vom Handwerk über Transportunternehmen bis zur Gastronomie. Unsere Leute! Alle teilen die Sorge um unser Land und eine Politik, die nicht nur ein erfolgreiches Wirtschaften immer schwerer macht, sondern auch die Mehrheit aus dem Blick verloren hat." Auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf die ursprünglichen 19 Prozent kritisierte Zastrow scharf.

Einer anderen Partei will sich Zastrow nicht anschließen, sagt er. Er wolle etwas eigenes aufbauen, eine "Sammlungsbewegung", wie er es nennt. Nächste Woche soll es losgehen. Auf jeden Fall wolle er weiter Politik machen.

Egoismus wirft der sächsische SPD-Vorsitzende Albrecht Pallas Zastrow vor: "Herrn Zastrow geht es mal wieder in erster Linie um sich selbst. Da ist es konsequent, jetzt auch ein eigenes politisches Projekt starten zu wollen." Pallas spricht von "Egoismus pur und Flucht aus der Verantwortung". Als Landesvorsitzender hätte Zastrow die sächsische FDP aus der Regierungsverantwortung in die parlamentarische Bedeutungslosigkeit geführt, ohne bei sich nach der Verantwortung dafür zu suchen. "Jetzt auf die Ampel zu verweisen, ist nichts als ein billiger Vorwand, um seinen Ego-Trip zu rechtfertigen", so Pallas weiter.

Holger Zastrow gilt als einer der umstrittensten Politiker in Dresden und ist noch dazu bei vielen bekannt als Gesicht der Ausflugsgaststätte Hofewiese in der Dresdner Heide. Nach der Wende - in deren Vorfeld er am Dresdner Hauptbahnhof im Jahr 1989 Steine in Richtung von Volkspolizisten geworfen hat - wurde Zastrow Gründungsvorsitzender der Liberalen Jugendorganisation in Dresden - der Vorgängerorganisation der Jungliberalen Aktion. 1993 trat er dann in die FDP ein und legte einen steilen Aufstieg hin.

Mehr als 11.000 Stimmen bei vergangener Stadtratswahl

1999 wurde Zastrow zum Landesvorsitzenden der FDP Sachsen gewählt und bis 2019 immer wieder bestätigt. Von 2004 bis 2014 war er Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag und von 2011 bis 2013 stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Seit 2004 bis jetzt ist er zudem Stadtrat in Dresden. Bei der Wahl 2019 wurde er Stimmenkönig - mit 11.313 Stimmen holte er weit mehr als die Kandidaten der anderen Parteien. Kurz darauf setzte er sich trotz einiger Widersacher in der Fraktion durch und wurde zum Chef gewählt.

In der Politik eckt er immer wieder mit seinen Positionen an, so bezeichnet er die Verkehrspolitik in Dresden als gescheitert, moniert Fahrradstreifen und sagte, in einigen Themen könne er nur Mehrheiten mit der rechtsextremen AfD bilden - wegen letzterem wird er als "rechtsoffen" kritisiert. Zastrow legte sich auch mit Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) öffentlich an und einiges mehr. Aufgrund seines Agierens auf Landes- und Bundesebene gab es immer wieder Kritik an Zastrows "sächsischem Weg".

Als Unternehmer hat er eine Werbeagentur, betreibt Märkte wie den Augustusmarkt am Goldenen Reiter, künftig das Winterevent auf dem Altmarkt in Dresden und ist seit 2015 das Gesicht der Hofewiese, die offiziell seine Frau Ariane betreibt.

Bedauert wird der Abgang Zastrows von Sachsens FDP-Generalsekretär und Bundestagsabgeordneten Philipp Hartewig nur bedingt. Zastrow habe den Landesverband "über Jahrzehnte geprägt". Mit ihm sei die 2004 auch wieder in den Landtag eingezogen und habe mit der CDU regiert. "Für dieses einzigartige Engagement sind wir ihm sehr dankbar", so Hartewig.

"Seine Entfremdung zur FDP war in den letzten Jahren häufiger sichtbar geworden. Wir bedauern trotzdem seine Austrittsabsicht sehr, denn einen Holger Zastrow kann man sich ohne FDP eigentlich gar nicht vorstellen. Es ist politisch wie auch menschlich ein großer Verlust für die Freien Demokraten. Wir wünschen ihm unabhängig davon auch weiterhin persönlich alles Gute."

In der FDP-Stadtratsfraktion will Zastrow aber bis zum Sommer und damit Ende der Wahlperiode bleiben. "Wir haben eine gute Truppe und mit der Arbeit hat mein Austritt nichts zu tun. Es sei denn, die anderen wollen das nicht." Laut Fraktionsvize Robert Malorny kann Zastrow bleiben. "Ich bedauere diesen Schritt, der ihm sicher auch schwer gefallen ist, respektiere ihn aber. Wir verlieren einen sehr streitbaren und kampfeslustigen Mitstreiter, der auch für mich persönlich in den letzten Jahren ein guter Freund geworden ist. Wir werden als Fraktion bis zur Wahl weiter zusammen arbeiten, wir haben schon viel Gutes erreicht und die nächsten Monate noch einiges vor."