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Wird OB Dirk Hilbert zum Verlierer im Dresdner Bürgermeisterstreit?

Eigentlich geht OB Dirk Hilbert gestärkt aus dem Bürgermeisterstreit. Doch die Wunden sind tief. Jetzt gibt es erste Pläne, ihm die Verantwortung für Finanzen wieder zu entreißen.

Von Andreas Weller & Dirk Hein
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Monatelang kämpfte OB Dirk Hilbert (M.) im Rat um einen Kompromiss - und um mehr Macht.
Monatelang kämpfte OB Dirk Hilbert (M.) im Rat um einen Kompromiss - und um mehr Macht. © Sven Ellger

Dresden. Ab 1. Februar hat Dresden wieder fünf Bürgermeister. Ein Posten ist weiterhin unbesetzt. Steffen Kaden fiel als Kandidat der CDU in beiden Wahlgängen durch. Nun ringt die CDU darum, weiter einen zweiten Bürgermeister neben Jan Donhauser (Bildung) zu bekommen. Der Weg dorthin könnte über einen erneuten Deal unter den Fraktionen führen und Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) die neu erkämpfte zusätzliche Macht kosten.

Erste Räte wollen die Macht von Hilbert beschränken

Das hatte Linke-Stadtrat und Dresdens Parteichef Jens Matthis bereits im Rat deutlich gemacht. "Dass die Zuständigkeit für Finanzen dauerhaft beim Oberbürgermeister bleibt, glaubt nicht mal er selbst." Er erklärte auch seine Bereitschaft, für eine erneute Änderung der Hauptsatzung zu stimmen - die Variante mit sechs Bürgermeistern wieder abzuändern. Matthis bevorzuge eine Lösung mit acht Bürgermeistern.

"Finanzen, aber auch Ordnung und Sicherheit sind für mich klassische Bereiche, die jeweils Bürgermeister benötigen", so Matthis. Kein Konzern agiere ohne eigenen Finanzvorstand und schließlich hätten die Moderatoren im Dresdner Bürgermeisterstreit ihren Schlichterspruch auch mit großen Konzernen und deren Vorständen begründet.

Am 26. Januar wählte der Stadtrat mit knapper Mehrheit und erst im zweiten Wahlgang Annekatrin Klepsch (Linke) zur neuen Bürgermeisterin für Kultur, Wissenschaft und Tourismus und Eva Jähnigen (Grüne) zur Bürgermeisterin für Umwelt, Klima, Recht und Ordnung. Lediglich Kristin Klaudia Kaufmann (Linke) wurde mit großer Mehrheit als Bürgermeisterin für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Wohnen gleich im ersten Wahlgang bestätigt.

Da es für Kaden keine Mehrheit gab und die für Klepsch und Jähnigen sehr knapp waren, ist keinerlei Mehrheit berechenbar. "Niemand weiß, woran es gescheitert ist", sagt Matthis in Bezug auf die Nicht-Wahl von Kaden. CDU, Linke, Grüne und OB hätten 37 von 71 Stimmen im Stadtrat. "Das Ergebnis zeigt, dass es auf einer so schmalen politischen Grundlage kritisch ist. Ob im Mai anders abgestimmt wird, ist unklar." Um eine Wahl abzusichern, müsse man die Grundlage verbreitern und "da wäre es logisch, mehr Fraktionen reinzuholen." Dann müsste es aber auch mehr Posten geben.

Zu den aktuellen neuen Wirren im Rat wollen sich beide Moderatoren übrigens nicht mehr äußern.

Erste Bündnisse werden geschmiedet

Freie-Wähler-Fraktionschef Jens Genschmar hat ebenfalls die Machtfülle von OB Hilbert im Blick. "Wir haben angefangen mit verschiedenen Fraktionen zu sprechen und sind bereit, darüber zu verhandeln, das gerade erst und zu stark aufgeblähte Ressort von OB Dirk Hilbert zu überdenken. Ein Lösung wäre, ihm die Finanzen wieder wegzunehmen." So könne ein breiter und mehrheitsfähiger Kompromiss gefunden werden.

Dann würde es zumindest wieder sieben Bürgermeister geben und OB Hilbert hätte am Ende nichts von dem, wofür er zuletzt eingetreten ist - die Reduzierung der Bürgermeister, mehr Einfluss der konservativen Kräfte und die Zuständigkeit für Finanzen bei ihm. Plötzlich würde Hilbert so zum großen Verlierer des Streits. "Allerdings wäre es schwierig, dies gegen den OB durchzusetzen", so Matthis. Denn der OB habe mit der Einvernehmensregelung ein Veto-Recht, das nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Stadtrat überstimmt werden kann.

Der Weg dazu wäre aber geebnet: Der Posten für Wirtschaft und Digitalisierung wird nach der gescheiterten Wahl nun neu ausgeschrieben. In diesem Zusammenhang könnte auch die Hauptsatzung, dort sind die Zuschnitte der Bürgermeisterposten geregelt, erneut geändert werden. "Dann muss es aber eine Bestenauswahl geben, es darf niemand aus dem Parteisumpf antreten", so Genschmar. Und: "Dem würden wir zustimmen."

Widerstand kommt von der FDP. "Ich bin mit den neuen Strukturen im Rathaus nicht einverstanden. Aber irgendwann müssen wir getroffene Entscheidungen akzeptieren", sagt Stadtrat Holger Zastrow.

AfD: "Man sollte dies juristisch prüfen lassen"

Die AfD setzt aktuell ihre Hoffnung auf die Neuausschreibung der einen noch offenen Bürgermeister-Stelle. Bewirbt sich ein neuer und unabhängiger Kandidat mit viel Erfahrung, würde man diesen unterstützen.

Innerhalb der Fraktion prüft man aber auch eine Klage gegen die neue Bürgermeister-Riege. "Die Besetzung spiegelt in keiner Weise die Mehrheitsverhältnisse im Rat wieder. Das Ungleichgewicht ist extrem", sagt AfD-Fraktionschef Thomas Ladzinski. Eine ähnliche Klage hatte zwar in der Vergangenheit keinen Erfolg. Die Voraussetzungen seien jetzt aber andere. "Die größte Fraktion ist überhaupt nicht vertreten", sagt AfD-Mann Ladzinski und meint seine Fraktion. Die im Rat gleichstark vertretenden Grünen konnten sich dauerhaft zwei Bürgermeisterposten sichern. "Man sollte dies juristisch prüfen lassen."

Krüger: Bin in erster Linie aufgrund der gescheiterten Wahl zurückgetreten"

Erstmals nach seinem Rücktritt am Sonntag äußert sich nun auch der bisherige CDU-Fraktionschef Peter Krüger. "Ich bin in erster Linie aufgrund der gescheiterten Wahl von Steffen Kaden zurückgetreten - aus freien Stücken und ohne Druck von anderen", stellt Krüger klar. Dass mutmaßlich auch Mitglieder seiner eigenen Fraktion nicht für Kaden gestimmt haben, nennt Krüger "Spekulationen", an denen er sich nicht beteilige.

Es brauche jetzt etwas Zeit - auch für Kaden. Dieser sei noch nicht entschieden, ob er erneut kandidiert. Krüger, der bis zum Schluss um eine tragfähige Lösung gerungen hat, sehe aber keinen Sinn darin, wieder auf mehr als sechs Bürgermeister zu gehen. "Ich gehe jetzt in die zweite Reihe, mache meine Arbeit im Finanzausschuss und in meinem Wahlkreis."