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OB-Kandidatin Eva Jähnigen im Interview: "Dann gibt es keine Ausreden mehr"

Die Dresdner Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) will Oberbürgermeisterin werden. Was sie ändern will - und wie sie zum Fernsehturm steht.

Von Dirk Hein
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Eva Jähnigen (Grüne) will mit den Schwerpunktthemen Klima und Energieversorgung überzeugen. Sie wird unter anderem von Linken und SPD unterstützt.
Eva Jähnigen (Grüne) will mit den Schwerpunktthemen Klima und Energieversorgung überzeugen. Sie wird unter anderem von Linken und SPD unterstützt. © Sven Ellger

Dresden. Am Sonntag wird in Dresden gewählt. Im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung erklärt Eva Jähnigen, warum Dresden beim Thema Klima hinterherhinkt, ob die Sanierung des Fernsehturmes für sie überhaupt wichtig ist - und welches Versprechen sie gibt. Thema ist auch ein Internet-Video, über die "faule" Umweltbürgermeisterin.

Frau Jähnigen: Im Internet kursiert ein Ausschnitt eines Wahlforums, Sie sagen dort, dass Sie ein fauler Mensch sind. Wie kam es dazu: Wann sind sie faul?

Der Ausschnitt wird derzeit bewusst aus dem Kontext gerissen verbreitet, die Aussage bezog sich auf mein Privatleben. Da bin ich ein gemütlicher Familienmensch und verbringe gern mal eine entspannte Zeit an schönen Orten in Dresden. Als Umweltbürgermeisterin arbeite ich 60 Stunden die Woche für das Wohlergehen dieser Stadt. Künftig will ich diese Arbeit als Oberbürgermeisterin gern noch intensivieren.

Damit Sie Oberbürgermeisterin werden können, braucht Dresden eine Wechselstimmung. Spüren Sie so einen Wunsch?

Ich erlebe diese Wechselstimmung in Teilen der Bevölkerung. Ich höre in vielen Gesprächen eine große Unzufriedenheit mit Herrn Hilbert. Es gibt aber auch Menschen, die sich für diese Wahl nicht interessieren, die gar nicht so genau wissen, was im Rathaus gemacht wird.

Aber genau darum geht es doch. Wie wollen Sie diese potenziellen Nichtwähler erreichen?

Durch die Inhalte, um die es mir geht: Die gute und stabile Entwicklung unserer Stadt, soziale Sicherheit, der Umgang mit den Folgen der Pandemie, mit einer sicheren Energieversorgung in Dresden.

Linke und SPD unterstützen Sie im zweiten Wahlgang, trommeln beide Parteien genug für sie?

Ich bin dankbar für die Unterstützung dieser Parteien, aber auch für die Hilfe der Piraten und von Volt. Ich erlebe viele, die nicht an Parteien gebunden sind, sich aber für meine Wahl engagieren. Mehr geht immer, aber ich fühle mich sehr gut unterstützt.

Dresden quält sich mit einem neuen Klimaschutzkonzept, seit zwei Jahren wird daran gearbeitet, jetzt wurden die Verträge mit den zuständigen Gutachtern gekündigt. Wenn man sich im Rathaus umhört und fragt, was gegen eine Oberbürgermeisterin Jähnigen sprechen könnte, kommt genau das: "Mit Frau Jähnigen dauert es zu lange."

Bei der Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes stimmt es: Das dauert länger. Das ist Mist und ärgert mich. In diesem Punkt gilt aber: Qualität vor Zeit. Ansonsten kenne ich so eine Kritik nicht. Bei den anderen großen Vorhaben, wie der Klimaanpassung und mehr Grünflächen, habe ich die entscheidenden Projekte angeschoben, die unter Herrn Hilbert in den Schubladen lagen – etwa den Südpark und den Promenadenring. Ich habe bei beiden Projekten von Herrn Hilbert wenig Unterstützung bekommen, die Unterstützung kam aus dem Stadtrat.

Ihre Art, das Umweltamt zu führen, hat also nicht verzögert?

Nein. Das 'nicht lange darüber reden, sondern einfach machen' von Herrn Hilbert hat zu Konflikten geführt. Herr Hilbert hat oft Konflikte mit dem Stadtrat.

Sie kritisieren die aktuellen Klimaschutzkonzepte des OBs. Herr Hilbert würde viele ihrer Ideen aufgreifen und zudem Pläne nutzen, die der Sachsen-Energie längst vorliegen würden.

Die meisten Punkte aus seinem Energieprogramm sind entweder Punkte, die ich Herrn Hilbert vorgeschlagen habe, zum Beispiel das Förderprogramm zur Beratung der Bürgerinnen und Bürger. Andere Punkte werden in der Sachsen-Energie ohnehin angegangen, etwa der Fernwärmeausbau in Löbtau. Der ist völlig richtig, doch es gehören innovative Elemente dazu, Fernwärme muss unabhängig vom Gas werden. Doch der notwendige Gasausstieg fehlt bei Herrn Hilbert. Auch die von Herrn Hilbert vorgeschlagene Müllverbrennungsanlage ist in dieser Art überholt. Es gibt bessere Ideen in der Sachsen-Energie, die jetzt weiterentwickelt werden sollten.

Sind die Bereiche Klima und Energie die großen Schwächen von Dirk Hilbert?

Es sind zwei seiner Schwächen. Er gibt keine klaren Ziele vor. Auf der einen Seite bewerben wir uns für Modellprojekte für eine Klimaneutralität schon ab 2030, gleichzeitig warnt Herr Hilbert aber vor einer zu frühen Klimaneutralität 2035.
Auch Umsetzungshindernisse werden von ihm nicht klar benannt. Ein Beispiel ist der Fernsehturm. Man kann ihn sanieren wollen, aber dann muss man auch klar wissen, wie der Turm genau erschlossen werden soll. An diesen Gesamtbetrachtungen fehlt es jedoch und so treten immer wieder Probleme auf, auf die der derzeitige OB dann ruckhaft reagiert – ohne eine Lösung zu finden.

Die Energiepreise steigen, gespart werden könnte bei den Verkehrsbetrieben oder bei den Bädern, die zum Beispiel freiwillig in den Sommerferien Hallenbäder geschlossen halten. Ist das mit Ihnen zu machen?

Ich halte beides für Grundaufgaben, daran wird nicht gespart. Auf das Angebot der Verkehrsbetriebe und der Bäder müssen wir vielmehr die Priorität legen. Danach können wir überlegen, was wir sonst noch finanzieren können. Das ist ein Grund, warum ich einen Kassensturz machen will. Es gibt Projekte, die sind risikobehaftet und bei denen müssen wir uns fragen: Geht das gut?

Ist der Fernsehturm so ein Projekt?

Die Erschließung und die Begleitmaßnahmen für die Sanierung, um dann eine wirtschaftliche Nutzung zu erreichen, sind noch nicht finanziert. Mein Schwerpunkt liegt ganz klar beim öffentlichen Verkehr, bei der Energiesicherung und den sozialen Diensten. Der Fernsehturm ist es nicht. Im Moment ist die Haushaltslage keine schlechte, es gibt aber erhebliche Risiken.

Mit Ihnen als Oberbürgermeisterin und Bürgermeisterin für Bau, Stadtentwicklung und Verkehr sowie Umwelt und Kommunalwirtschaft wären zentrale Schaltstellen im Rathaus "grün". Dann gibt es doch keine Ausreden mehr, das Radwege nicht gebaut werden oder Klimamaßnahmen nicht vorankommen – oder?

Natürlich nicht. Das ist der Grund, warum ich antrete: Ich kann und will in sieben Jahren nicht auf Umsetzungsprobleme verweisen. So wie es jetzt angegangen wird, mit diesem ruckhaften Hin und Her des OBs, so bekommen wir zum Beispiel keine Klimaneutralität bis 2035 hin. Ich trete an, um das möglich zu machen. Es gibt dann keine Ausreden mehr.