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Reicher Westen, armer Osten - gilt das im Sport noch immer?

Weil die Konzerne vor allem im Westen ihre Firmensitze haben, bekommen die sächsischen Profisportklubs zu wenig Geld ab - diese Klage hört man seit mehr als 30 Jahren. Aber stimmt das überhaupt? Eine Recherche zeigt: Ohne Handwerk, Mittelstand und öffentliche Hand geht wenig.

Von Ulrich Wolf & Daniel Klein
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Die Spitzenklubs in Sachsen sind von Sponsoren, die Geld zahlen, abhängig. Doch wer sind diese Sponsoren?
Die Spitzenklubs in Sachsen sind von Sponsoren, die Geld zahlen, abhängig. Doch wer sind diese Sponsoren? © SZ

Die Freude war groß bei den Basketballern der Dresden Titans. Der Zweitligist präsentierte Mitte Februar den Kaufpark Dresden im Stadtteil Nickern als neuen Trikotsponsor. Das ist der wohl wichtigste Geldgeber für den Verein. Dass dahinter mit Möbel-Höffner-Eigentümer Kurt Krieger ein Berliner Milliardär steckt, ist unter den Sponsoren der sächsischen Spitzenmannschaften eher die Ausnahme als die Regel.

Woher kommen die Sponsoren in Sachsen?

In Sachsen sind es der Mittelstand, das Handwerk und die öffentliche Hand, die die Spitzenteams im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Fast zwei Drittel aller 157 Haupt- und Premiumsponsoren der sächsischen Erst- und Zweitligisten in den Sportarten Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Eishockey und American Football sind kleinere und mittlere Unternehmen. Das ergibt eine umfangreiche Analyse von Sächsische.de, die sich die wichtigsten Geldgeber für die 21 Erst- und Zweitligisten sowie von Fußball-Drittligist Dynamo Dresden angeschaut hat.

19 Prozent dieser Sponsoren stellt die öffentliche Hand. Hier sind es vor allem die Sparkassen, Energiefirmen und Wohnungsunternehmen, die den Vereinen unter die Arme greifen. Rund 17 Prozent der Geldgeber gehören zu internationalen Konzernen, insbesondere Brauereien und Autohersteller. Einen Überblick gibt diese Karte:

Was soll Sportsponsoring denn schon bringen?

Das von den Unternehmen meist angegebene Motiv ist der Plan, eine Marke bekannter zu machen. Schon beim ersten Sponsoring in Deutschland war da so, als Adidas dem DFB-Team 1954 erstmals Stollenschuhe bereitstellte. Im selben Jahr stieg der Modehersteller Bogner in den Skisport ein. Der Spirituosenproduzent Jägermeister ging 1973 als erster Trikotsponsor in die deutsche Sportgeschichte ein, damals bei Eintracht Braunschweig. Obwohl Jägermeister ein großes Werk in Kamenz hat, taucht der Kräuterschnaps mit dem Logo des markanten Hirschgeweihs im sächsischen Spitzensport nicht auf - und das ist sehr oft so.

Ein weiterer Meilenstein im Sportsponsoring war 2001 die Umbenennung des Hamburger Volksparkstadions in AOL-Arena. Seit 2017 wird auf Trikotärmeln geworben, und in den Stadien hielt die virtuelle Bandenwerbung Einzug. Die Vereinigung Sportsponsoring sieht in diesen Engagements „Erfolgspartnerschaften“. Sie verweist etwa auf den Eishockeyspitzenklub Adler Mannheim und den Softwaregiganten SAP, auf den VfL Wolfsburg und Volkswagen oder auf die Basketballer von Brose Bamberg.

Das Beispiel aus Bamberg zeigt jedoch auch die Gefahr eines dominierenden Sponsors. Der in Franken beheimatete Automobilzulieferer Brose steckte jahrelang einen niedrigen Millionenbetrag in den Verein, zwischen 2005 und 2017 wurden die Bamberger neunmal Meister. Anfang 2023 kündigte Brose den schrittweisen Rückzug an, der frühere Serienmeister heißt nun Bamberg Baskets und dümpelt in dieser Saison im Mittelfeld herum. Ähnliches könnte auch dem Dresdner Handballzweitligisten HC Elbflorenz drohen, sollte dort der Medizintechnikproduzent Saegeling als Hauptsponsor ausfallen.

Wie viel Geld fließt aus der sächsischen Wirtschaft?

Das ist nicht zu sagen. Sowohl Sponsoren als auch Vereine schweigen sich darüber aus. Bei Drittligist Dynamo Dresden etwa war 2018 zu Zweitliga-Zeiten davon die Rede, dass der bis heute aktive Trikotsponsor, die IT-Firma All-Inkl.com, pro Saison rund eine Million Euro in den Verein steckt.

Zum Vergleich: Die Telekom investiert in den FC Bayern um die 50 Millionen Euro pro Jahr, von Adidas sollen jährlich 60 Millionen Euro fließen. Nach Angaben des Statistikportals Statista summierten sich die Investitionen in Sportsponsoring in Deutschland im vorigen Jahr auf fast vier Milliarden Euro. Davon kassierten allein die Fußball-Bundesligisten rund 262 Millionen Euro. Das ist eine Liga, mit der die sächsischen Profivereine nicht mithalten können - mit einer Ausnahme.

Welcher Verein erhält in Sachsen das meiste Geld?

Das ist eindeutig RB Leipzig. Die Sponsoring-Einnahmen des Vereins, der sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen zwei Erstligisten im Fußball stellt, belaufen sich Statista zufolge auf rund 35 Millionen Euro. Die größten Geldgeber der Leipziger sind der Getränkehersteller Red Bull, die Autoproduzenten Porsche und VW, der Hongkonger Elektronikkonzern TPV und der Sportartikelausrüster Nike. Letzterer scheidet jedoch in der nächsten Saison aus und wird vom Konkurrenten Puma abgelöst.

Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge überweist Puma zehn Jahre lang pro Saison rund 15 Millionen Euro nach Leipzig. Sein Engagement in Sachsen begründete der fränkische Sportartikelhersteller unter anderem mit dem „kometenhaften Aufstieg aus der Oberliga in die höchste deutsche Spielklasse“.

Wieso ist die Staatsregierung Sponsor?

Die Staatskanzlei als Macher der Kampagne "So geht sächsisch" hat nach eigenen Angaben mit der Initiative Teamsport Sachsen eine Kooperation geschlossen. Mit Ausnahme von Dynamo Dresden gehörten diesem Verein alle 25 sächsischen Profiklubs an. Teamsport Sachsen verteile den in der laufenden Saison umfassenden Etat von 300.000 Euro „nach einem festen Schlüssel, der sich unter anderem aus der erzielten Reichweite der Vereine ergibt“. Gemeint sind damit Ligazugehörigkeit, Zuschauerzahlen und Social-Media-Kontakte.

Außerdem habe „So geht sächsisch“ gemeinsam mit der Stiftung „Wald für Sachsen“ öffentlichkeitswirksame Baumpflanzaktionen als Beitrag zum Klimaschutz für die Vereine organisiert. Auch daran beteiligte sich Dynamo nicht.

Zwar kommen mit Abstand die meisten Sponsoren aus dem sächsischen Mittelstand und dem Handwerk. Das meiste Geld aber dürfte von Unternehmen der öffentlichen Hand fließen.
Zwar kommen mit Abstand die meisten Sponsoren aus dem sächsischen Mittelstand und dem Handwerk. Das meiste Geld aber dürfte von Unternehmen der öffentlichen Hand fließen. ©  SZ-Grafik/Gernot Grunwald

Das zweite finanzielle Standbein bei Teamsport Sachsen ist die 2021 begonnene Kooperation mit Sachsen-Lotto. Der Freistaat erhielt im vorigen Jahr insgesamt 121 Millionen Euro von seiner Lotto-Tochter. Wieviel davon an den sächsischen Sport ging, wird nicht gesagt. "Die Marketingaufwendungen sind Teil der internen Kalkulation und werden aus Wettbewerbsgründen nicht dargelegt", sagt Lotto-Sprecherin Kerstin Waschke. Eine zielgerichtete Unterstützung einzelner Vereine liege nicht vor. RB Leipzig verzichtet auf den Anteil und lässt diesen dem olympischen Sport in Sachsen zukommen.

Welche Motive haben Firmen der öffentlichen Hand?

Ob Sparkassen, Sachsenenergie oder Wohnungsbaufirmen: Wenn auch hier keine Zahlen genannt werden, gehören die Unternehmen der öffentlichen Hand zu den wichtigsten Geldgebern des Profisports im Freistaat. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag begründet dieses Sponsoring mit einer „wichtigen gemeinschaftsstiftenden Wirkung“. Die sächsischen Sportvereine mit ihren Erst- und Zweitligamannschaften stünden „für Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl“ und seien „in ihrer Region verwurzelt“. Die Klubs seien daher „attraktive Sponsoringpartner für kommunale Unternehmen“. Diese Ausgaben würden im Übrigen nicht aus Steuermitteln finanziert, sondern aus Erträgen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der Unternehmen.

Sparkassen, die landeseigene Lottogesellschaft und der Oetker-Konzern mit seinen Brauereien in Sachsen sind unter den Premium- und Hauptsponsoren der Erst- und Zweitligisten die aktivsten Geldgeber für die Vereine.
Sparkassen, die landeseigene Lottogesellschaft und der Oetker-Konzern mit seinen Brauereien in Sachsen sind unter den Premium- und Hauptsponsoren der Erst- und Zweitligisten die aktivsten Geldgeber für die Vereine. ©  SZ-Grafik: Gernot Grunwald

Welche Konzerne engagieren sich wie in Sachsens Sport?

  • Das Sportsponsoring von Volkswagen konzentriert sich auf die Standorte des Konzerns in Sachsen. Also auf Chemnitz, Dresden und Zwickau. So profitieren auch die Viertligisten wie der Chemnitzer FC, der FSV Zwickau sowie Drittligist Dynamo Dresden von VW. Ein Konzernsprecher sagte, die Maßnahmen seien "ein wertvoller Beitrag zur Identifikation am jeweiligen Standort". Das Sponsoring beim Handballzweitligisten HC Elbflorenz steuere eigenständig die Volkswagen Group Retail Dresden GmbH. Eine Ausnahme von der Standortstrategie ist RB Leipzig, wo VW über eine Tochterfirma den Fuhrpark stellt. Diese Zusammenarbeit werde aber zum Ende der Saison beendet, hieß es. Auf frisches Geld von VW dürfen sich dafür die Erstliga-Handballerinnen des BSV Sachsen Zwickau freuen. Was aber für alle Vereine zutrifft: Im Vergleich zum VW-Engagement beim VfL Wolfsburg, wo der Mobilbauer seinen Konzernsitz hat, sind die Beträge sehr gering.
  • Der Energiekonzern Leag teilt mit, er stehe als größter ostdeutscher Energieversorger zu seiner besonderen sozialen Verantwortung für die Region. Mit dem Eishockeyklub Lausitzer Füchse, der seit Mittwoch in den Playoffs gegen Krefeld spielt, sei man als Premiumsponsor seit 2016 verbunden. Der Verein passe zu den eigenen Werten: Heimatverbundenheit, Teamgeist und ein hoher Leistungsanspruch. Die Leag mit ihren tschechischen Eigentümern sieht in den Füchsen einen „Identitätsanker in einer sonst strukturarmen Region“. Man habe auch deshalb das Sponsoring im laufenden Jahr verdoppelt.
  • Der Dresdner Chiphersteller Globalfoundries ist seit 2019 ein Sponsor des Handballzweitligisten HC Elbflorenz. Der Fokus dieser Partnerschaft liege neben der Unterstützung der Profimannschaft insbesondere auf der Nachwuchsförderung, heißt es. So erhalte die Jugendabteilung eine Zusatzförderung, da sie diesem Monat an einem internationalen Nachwuchsturnier in Spanien antrete. Um auf der Homepage der Handballer aufzutauchen, reicht die Höhe des Sponsorings aber offensichtlich nicht aus.
Manager des Chipherstellers Infineon und des Eishockey-Zweitligisten Dresdner Eislöwen präsentieren ihre Partnerschaft im Juni 2023.
Manager des Chipherstellers Infineon und des Eishockey-Zweitligisten Dresdner Eislöwen präsentieren ihre Partnerschaft im Juni 2023. © SZ-Archiv: Lutz Hentschel
  • Die Technologiefirma Infineon, ebenfalls mit einem großen Werk in Dresden vertreten, will mit seinem Sportsponsoring „als Arbeitgeber bekannter werden und neue Mitarbeiter gewinnen“. Der Konzern unterstützt seit 2019 die DSC-Volleyballerinnen, seit 2021 die Dresdner Eislöwen und seit 2022 die Basketballer der Dresden Titans. Man habe sich für diese Vereine entschieden, da man dort „eine interessante Zielgruppe und ein ideales Umfeld für die Präsentation unseres Unternehmens“ findet. Werte wie Teamgeist, Dynamik und Wettbewerb seien auch „typisch für die schnell wachsende Mikroelektronikindustrie“.
  • Seit mehr als zehn Jahren ist BMW als „BMW Group Werk Leipzig“ Partner des Handball-Erstligisten SC DHfK Leipzig. Das Engagement sehe man „als Bekenntnis zur Stadt“ sowie „als geeignete Plattform zur Ansprache von Interessenten und Bindung von Kunden“. Mit dem Engagement bei den Handballern „haben wir eine für uns optimale Plattform gefunden, um unsere Zielgruppen zu erreichen“.
  • BMW-Konkurrent Porsche fördert an seinem Produktionsstandort Leipzig seit 2014 die Jugendarbeit bei RB Leipzig unter dem Motto „Turbo für Talente“. Man wolle damit unter anderem „Kindern aus sozial schwächer gestellten Familien den Zugang zum Vereinssport erleichtern und talentierte Nachwuchskicker gezielt fördern“. Zudem sei die Porsche Werkzeugbau GmbH seit 2012 Partnerin des Handball-Zweitligisten EHV Aue, der in der Belegschaft „eine große Fanbasis“ habe. Auch Fußball-Drittligist FC Erzgebirge Aue werde im Rahmen der Initiative „Turbo für Talente“ unterstützt, etwa als Namensgeber des Jugendinternats „Porsche Kumpelschmiede“.
  • Einer der großen Arbeitgeber im Raum Dresden ist die zum Müller-Milch-Konzern gehörende Sachsenmilch Leppersdorf GmbH. Dort heißt es, man unterstütze als offizieller Nachwuchspartner der SG Dynamo Dresden den größten Sportverein der Region. Der derzeitige Vertrag laufe bis 2025. Auch bei den Zweitliga-Frauen des Handballclubs Rödertal werde der Nachwuchs unterstützt. Der Oetker-Konzern mit Sitz in Bielefeld engagiert sich in Sachsen vor allem über seine Brauereien: Radeberger, Ur-Krostitzer, Freiberger und Sternburg.

Welche Konzerne in Sachsen geben dem Sport kein Geld?

Einer von ihnen ist der Onlinehändler Amazon mit seinem riesigen Versandzentrum bei Leipzig. Auf Anfrage von Sächsische.de hieß es, man engagiere sich vor allem sozial. Insgesamt helfe man im deutschsprachigen Raum „rund 850 verschiedenen Organisationen der Katastrophenhilfe, der lokalen Hilfe sowie bei digitaler Bildung“.

Auch der Schienenfahrzeugkonzern Alstom mit Werken in Bautzen und Görlitz setzt nach eigenen Angaben die Priorität aufs Soziale. So engagiere sich Alstom in der Lausitz unter anderem für ein Schul- und Spielplatzprojekt sowie für benachteiligte Kinder. Sportsponsoring dagegen werde prinzipiell nicht unterstützt. Beim Energie- und Technologiekonzern Siemens ist es ebenso. Man habe nichts gegen sächsische Sportvereine, aber man mache als Konzern „generell kein Sportsponsoring“. Einzelne Vereine zu fördern, das käme bei 97.000 Mitarbeitern an fast 80 Produktionsstandorten schon der Willkür nahe.

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