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Wenn Dynamos Luxuskader zum Luxusproblem wird

Dynamo stellt die stärkste Mannschaft der 3. Liga. Deshalb kommt es jetzt auf den Trainer an. Sein Vorvorvorgänger verfolgte eine eigenen Plan - und stieg am Ende auf.

Von Tino Meyer
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Bis auf den verletzten Chris Löwe sind derzeit alle Leistungsträger und infrage kommenden Stammspieler dabei, wenn Fitnesstrainer Matthias Grahé zur Erwärmung ruft.
Bis auf den verletzten Chris Löwe sind derzeit alle Leistungsträger und infrage kommenden Stammspieler dabei, wenn Fitnesstrainer Matthias Grahé zur Erwärmung ruft. © dpa/Robert Michael

Dresden. Um das gleich klarzustellen: Die Frage am vergangenen Samstag war eine bewusste Provokation, brachte die Sache aber auf den Punkt. Braucht Dynamo Dresden überhaupt noch die für das Spiel in Rostock ausgefallenen Sebastian Mai und Marvin Stefaniak, selbst wenn es sich dabei um den Kapitän dieser neu zusammengesetzten Mannschaft sowie ihren Spielmacher handelt?

Das wollte der TV-Reporter angesichts des effizient wie clever erzielten 3:1-Erfolgs im Ostduell kurz nach Abpfiff von Abwehrchef Marco Hartmann wissen. Eine naheliegende und schon deshalb berechtigte Frage – gestellt nur eben an den Falschen.

Hartmann, seine große Erfahrung und immense Bedeutung für die Mannschaft hin oder her, bestimmt zum einen nicht die Aufstellung. Zum anderen ist der 32-Jährige versiert genug und darüber hinaus viel zu lange im Geschäft, um nicht die Tücke der Frage zu erkennen. Resolut wie zuvor auf dem Platz klärte er also auch diese brenzlige Situation, nun mit verbaler Grätsche. „Absoluter Quatsch“, sagte Hartmann. Damit war die Frage sofort komplett abgeräumt, die Schlagzeile dahin.

Dennoch ließ Hartmann noch eine differenzierte Erklärung folgen. „Wir haben einen so starken Kader, der das abkönnen muss. Nichtsdestotrotz bringen beide eine große Qualität mit, auf die ich mich freue, wenn sie wieder zurück sind“, antwortete er und reichte das Thema an denjenigen weiter, der sich von Amts wegen damit befassen muss: Dynamos Trainer.

Wo ist jetzt Platz für Mai und Stefaniak?

Auf Markus Kauczinski wartet nun tatsächlich eine knifflige Aufgabe. Denn natürlich kann Dynamo den wuchtig-leidenschaftlichen Verteidiger Mai, der sich zudem vor Führungsaufgaben nicht scheut, ebenso gut gebrauchen wie den spielintelligenten, technisch herausragenden Mittelfeldmann Stefaniak. Für den gerade erst begonnenen Neuaufbau in der 3. Liga sind beide prädestiniert, zumal sie sich in einem hohen Maße auch mit dem Verein identifizieren.

Nur haben es Dynamos Verantwortliche in der Sommerpause geschafft, einen Kader zusammenzustellen, der sowohl in Sachen individueller Qualität als auch in der Breite der stärkste in der Liga ist. Das Spiel in Rostock lieferte den besten Beweis: Der zweitligaerprobte U 19-Nationalspieler Kevin Ehlers sowie Paul Will, der nur mit Ablösesumme von Drittliga-Meister Bayern München II zu haben war, ersetzten die beiden ausgefallenen Leistungsträger. „Das sagt alles“, meinte Rostocks Sportvorstand Martin Pieckenhagen. Bereits vorm Saisonstart haben 16 der 19 anderen Drittliga-Trainer die Mannschaft von Kauczinski als Aufstiegsfavoriten genannt.

Vorm Heimspiel an diesem Mittwoch gegen Unterhaching, spätestens aber mit Blick in die nächsten Wochen, stellt sich nun aber eine neue Frage: Wird Dynamos Luxuskader zum Luxusproblem?

Leiden sie noch gesundheitlich, oder bangen sie schon um ihre Stammplätze? Dynamos Führungsspieler Sebastian Mai und Marvin Stefaniak.
Leiden sie noch gesundheitlich, oder bangen sie schon um ihre Stammplätze? Dynamos Führungsspieler Sebastian Mai und Marvin Stefaniak. © dpa/Robert Michael

So gut hat die Mannschaft in Rostock funktioniert, dass personelle Veränderungen nicht notwendig sind. Zu weit vorn gelistet im internen Ranking sind aber die Namen Mai und Stefaniak, als dass sie sich auf Dauer auf der Bank wiederfinden. Beide sind wieder fit, sagte Kauczinski am Dienstag, und fügte vielsagend hinzu: „Es kann schon sein, dass man Dinge verändert. Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren.“

Bei dieser Entscheidungsfindung stellt sich zwangsläufig immer auch die Systemfrage. Ob Dynamo jetzt nach elf Ligaspielen mit der Defensivdreierkette und Hartmann als neuem, zuletzt herausragendem Abwehrchef endlich eine zu der Mannschaft passende, erfolgversprechende taktische Formation gefunden hat. Festlegen möchte sich Kauczinski auch in dem Punkt nicht, festgestellt aber hat er: „Die Abläufe stimmen immer besser. Auch das Selbstbewusstsein wächst in jedem Spiel.“

In der Abwehr ließen sich Luxus- wie Systemfrage noch am ehesten klären. Dem jungen Ehlers kann der Trainer sicher plausibel machen, dass ihm die Zukunft gehört und er Geduld haben soll. Perspektivisch könnte auch Hartmann auf seine Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld rücken und Mai damit wieder Abwehrchef sein. Im Mittelfeld aber gibt es ein Überangebot: Bis zu zehn Spieler, je nach System und Positionsbeschreibung, streiten um fünf Plätze. Und alle haben den Anspruch, Stammspieler zu sein. Eine Situation ist das, wie sie sich jeder Trainer wünscht, die aber auch reichlich Konfliktpotenzial birgt.

Macht es Kauczinski wie Neuhaus vor fünf Jahren?

Der dicht gedrängte Spielplan mit Partien im Samstag-Mittwoch-Samstag-Rhythmus kommt da einerseits gerade recht. Die hohe Belastung lässt sich problemlos verteilen – und viele Spieler haben regelmäßige Einsätze. Es spricht also einiges dafür, dass Mai und Stefaniak gegen Unterhaching auf dem Platz stehen, spätestens am Sonntag beim nächsten Spiel in Duisburg. Zudem gibt es immer wieder auch Verletzte und Gesperrte wie wohl demnächst den derzeit gesetzten Ransford-Yeboah Königsdörffer. Das Top-Talent hat vier Gelbe Karten gesehen, bei der nächsten muss er für ein Spiel pausieren.

Andererseits hilft eine feste Formation für das Verinnerlichen von Strukturen und Abläufen. So hat es Kauczinskis Vorvorvorgänger Uwe Neuhaus vor fünf Jahren gemacht: mit einem Stamm von 14, 15 Leuten die Saison durchgezogen, zumindest so lange, bis der Vorsprung auf die Konkurrenz groß genug war und sich der Aufstieg abzeichnete. Er hatte allerdings auch nicht das Luxusproblem eines Luxuskaders.

Am Ende wird es im Wesentlichen auf Kauczinski ankommen, wie er a) Personalfragen intern moderiert, und b) entscheidend darauf, dass er aus den starken Einzelspielern eine auf dem Platz konstant funktionierende Mannschaft entwickelt. Er selbst ist da übrigens guter Dinge, ohne wie er betont, Ergebnisse garantieren zu können. „Wenn wir unsere Dinge einbringen“, sagt der Trainer, „werden wir auf lange Strecke auch unsere Ziele erreichen.“ Gemeint ist: natürlich der Aufstieg.

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