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Top Ten der sächsischen Forschung 2022

Es sind Erfindungen und Entdeckungen, über die die SZ 2022 berichtet hat. Aus den Forschungsnachrichten aller Fachgebiete hat das Wissens-Ressort die zehn Favoriten ausgewählt.

Von Jana Mundus & Stephan Schön
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Der Leipziger Evolutionsforscher Svante Pääbo hat für seine Neandertaler-Forschungen den Medizin- Nobelpreis erhalten.
Der Leipziger Evolutionsforscher Svante Pääbo hat für seine Neandertaler-Forschungen den Medizin- Nobelpreis erhalten. © dpa

1. Die Neandertaler sind in uns

Es sind die ältesten Fragen der Menschheit, zu denen Svante Pääbo und seine Kollegen in Leipzig Antworten finden: Wo kommen wir her? Was macht den Menschen zum Menschen? In den vergangenen 30 Jahren ist so ein ganz neuer Forschungszweig entstanden, den der heute 67-jährige Schwede gegründet hat. Und anführt als einer der Direktoren am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Für seine Forschung zum Neandertaler-Genom bekam er im Dezember den Medizin-Nobelpreis.

Zehntausende Jahre lebten Neandertaler und Neumenschen nebeneinander. Vor mehr als 50.000 Jahren paarten sie sich, bekamen gemeinsame Kinder. Wir tragen die Neandertaler-Gene in uns.

So entwickelte sich die Menschheit weiter. Bis heute kommt keine andere Forschergruppe an die Präzision des Neandertaler-Genoms heran, wie Pääbos Team sie erreicht hat. Dass 2022 auch noch zwei bahnbrechende Veröffentlichungen zum Neandertaler und uns erschienen, zeigt einmal mehr die Bedeutung von Pääbos Arbeiten.

Wieland Huttner, einer der Gründungsdirektoren vom Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, hatte mit seinem Forscherteam und den Genanalysen von Svante Pääbo herausgefunden, dass wir Neumenschen mehr von den funktional wichtigsten Zellen im Gehirn haben als die Neandertaler. Eine einzige Zellmutation im Laufe der Evolution hat uns diesen Vorteil gebracht.

Und eine weitere, winzige Genmutation verbesserte dann nochmals den Menschen: Der Neandertaler machte beim Kopieren und Teilen der Nervenzellen viel mehr Fehler. Der Neumensch lässt sich für diese Qualitätskontrolle vor dem entscheidenden Schritt der Zellteilung deutlich mehr Zeit. Die Neumenschen bekamen so das bessere Gehirn.

Stratosphärenflugzeug Halo auf Expedition in der Arktis.
Stratosphärenflugzeug Halo auf Expedition in der Arktis. © Stephan Schön

2. Sächsische Forscher leiten Arktisexpedition

Forscher der Meteorologie von der Universität Leipzig leiteten im März in der Arktis mehrere Wochen lang die bislang größte deutsche Flug-Expedition. Das Basecamp war auf Spitzbergen. An die 100 Mitarbeiter waren daran beteiligt. Es ging darum, die Klimaveränderungen in der Arktis besser zu verstehen.

3. Killerzellen gegen den Krebs

Körpereigene Immunzellen können extern im Labor vermehrt werden und dann zurück im Körper Krankheiten besiegen. Es geht dabei um schwerste, teils unheilbare Erkrankungen, auch um Krebs. Am Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD) der TU Dresden hat die Forschergruppe von Zellbiologieprofessor Michael Sieweke einen ganz entscheidenden Fortschritt erreicht, der künftige Zelltherapien ermöglichen kann. Makrophagen sind große Fresszellen und ein entscheidender Teil des Immunsystems. Eine klinische Studie werde bereits vorbereitet. Es sind Makrophagen, die Krebszellen fressen.

4. Rohstoffe aus giftigem Bergbauschlamm

Giftiger Schlamm wird zum wertvollen Rohstoff. Wissenschaftler der TU Bergakademie Freiberg (BAF) haben gemeinsam mit vier Firmen aus der Region ein solches Großprojekt begonnen. Bis Ende 2024 läuft dieses etwa 1,5 Millionen Euro teure Pilotprojekt am Roten Graben bei Freiberg. „Zauber“ nennt sich das Projekt, das aus belastetem Schlamm etwas Gutes zaubern will. 33.000 Tonnen Schlamm müssten aus dem Roten Graben gebaggert werden und wären Sondermüll. „Zauber“ soll es anders machen: Mobile Anlagen in Containern werden aufgestellt und gewinnen wichtige Rohstoffe zurück.

5. Defekte Nervenzellen wiederbelebt

Forscher aus Dresden erwecken geschädigte Zellen wieder zum Leben. Das nährt Hoffnungen auf neuartige Therapien bei schweren Erkrankungen wie der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), bei der Nervenzellen Schritt für Schritt den Dienst versagen. Mithilfe gepulster Magnetfelder reaktivieren die Wissenschaftler vom Institut für Anatomie der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf die Motoneuronen wieder. Diese Nervenzellen sind für die Signalweitergabe an die Skelettmuskulatur nötig. Eine neue Magnetpuls-Prototyp-Therapieanlage befindet sich aktuell im Bau.

Das erste Haus aus Carbonbeton steht nun in Dresden. Mehr als 20 Jahre Forschung sind darin verbaut. Der Cube der TU Dresden ist ein Reallabor für die Wissenschaft.
Das erste Haus aus Carbonbeton steht nun in Dresden. Mehr als 20 Jahre Forschung sind darin verbaut. Der Cube der TU Dresden ist ein Reallabor für die Wissenschaft. © kairospress

6. Besser bauen mit Carbonbeton

Er ist einzigartig und gebaut, wie sonst nichts auf diesem Planeten: Im Sommer 2022 weihte die TU Dresden den Cube in der Nähe des Dresdner Fritz-Förster-Platzes offiziell ein. Das Gebäude aus Carbonbeton wurde mit den neuesten Verfahren und Materialien gebaut. Das Haus ist ein Forschungs-Großprojekt und soll zeigen, wie geeignet der neue Baustoff Carbonbeton für den Hausbau ist. Jahrzehntelang steht er deshalb auch nach Fertigstellung noch unter Beobachtung. Sensoren drinnen und draußen zeichnen dafür kontinuierlich Daten wie etwa Temperatur und Feuchtigkeit auf.

In der Ausgründung µAcoustiX vom Dresdner Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung wurde ein Chip für die Blutanalyse entwickelt.
In der Ausgründung µAcoustiX vom Dresdner Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung wurde ein Chip für die Blutanalyse entwickelt. © Lürgen Lösel

7. Dieser Chip sortiert unser Blut

Ein Chip, der Blut sortiert. Forscher des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden nutzen dafür Schallwellen. Die Methode beruht darauf, dass jedes Partikel, jede Zelle und jedes Biomolekül individuell auf ein Schallfeld reagiert. Damit lassen sich künftig Krankheiten schneller aufspüren.

8. Pilze lassen Deponien erblühen

Ehemalige Deponien und Bergbauhalden sind trist und grau. Mit Resten aus der Champignonzucht sprießt dort viel schneller wieder das Grün. Dieses neue Verfahren für die Rekultivierung hat das Dresdner Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS gemeinsam mit Partnern bereits auf einer Leipziger Deponie getestet. Die neue Rezeptur für die Wiederbelebung der minderwertigen Böden besteht zum einen aus Klärschlamm-Kompost. Hinzu kommt Substrat, in dem gezüchtete Pilze in großen Hallen wachsen. Das zusammen ergibt eine Mischung, die zu üppigem Pflanzenwuchs führt.

Im inneren der riesigen Eisplaneten wie Neptun (hier im Bild) und Uranus regnet es Diamanten.
Im inneren der riesigen Eisplaneten wie Neptun (hier im Bild) und Uranus regnet es Diamanten. © ESA

9. Diamantenregen im All

Im Inneren der riesigen Eisplaneten regnet es Diamanten. Das haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf nachgewiesen. Die Ausgangsstoffe sind chemische Verbindungen, wie sie auf diesen Planeten vorkommen. Mit extremen Lasern wurden daraus im Labor schließlich Diamanten.

10. Ein Eiweiß löst das Müllproblem

Falten haben es schwer. Kollagen sorgt in unserem Körper wie ein Gerüst dafür, dass die darüberliegende Haut straff wirkt. Mit fortschreitendem Alter wird das Gerüst jedoch instabiler. Doch die Eiweiße können noch ganz andere Sachen. Sie lassen in Zukunft vielleicht Müllberge schrumpfen. Möglich macht das eine Entwicklung der HTW Dresden. Ein Forscherteam schichtet die Kollagene übereinander. Letztlich entsteht ein Aufbau, der das Potenzial hat, Kunststofffolien zu ersetzen. Ein riesiger Vorteil: Das geschichtete Material ist komplett kompostierbar.