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Zehn Gründe gegen die Corona-Impfung im Check

Sachsens Impfquote ist zu niedrig. Es kursieren viele Argumente gegen die Corona-Impfung - doch was ist dran? Drei Experten antworten.

Von Johanna Lemke & Stephan Schön
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Zur Corona-Impfung kursieren dutzende Behauptungen. Drei Experten ordnen sie ein.
Zur Corona-Impfung kursieren dutzende Behauptungen. Drei Experten ordnen sie ein. © Illustration: Katja Zadnicek

Ich bin gesund und fit und nehme Vitamin D. Ich würde eine Corona-Infektion daher locker überstehen.

Virologe Alexander Dalpke: Schwere Verläufe können auch bei jungen, ansonsten gesunden Menschen auftreten, ebenso anhaltende Gesundheitseinschränkungen wie Long Covid. Das Virus auf die leichte Schulter zu nehmen ist ein Trugschluss.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Jede aktive Maßnahme zur Gesunderhaltung ist gut. Die Erfahrung zeigt aber, dass der Krankheitsverlauf keiner Gesetzmäßigkeit unterliegt. Vitamin D ist kein verlässlicher Schutz.

Hausarzt Erik Bodendieck: Es geht eben auch darum, dass man niemanden anstecken darf, um so die Pandemie einzudämmen. Und gerade alte Menschen und Menschen mit Erkrankungen, die ein geschwächtes Immunsystem haben, wie zum Beispiel Transplantierte, Krebspatienten und Rheumapatienten, sind durch eine Impfung nur unzureichend geschützt. Wir sind eben nicht nur für uns selbst verantwortlich, sondern auch für andere. In Sachsen sind etwa 3,4 Prozent der Erkrankten gestorben, also auf circa 30 Erkrankte gibt es einen Toten, das sollte man nie vergessen.

Es sind genügend andere geimpft, ich verlasse mich auf den Herdenschutz.

Virologe Alexander Dalpke: Es sind leider noch nicht genügend Menschen geimpft, um eine gute Herdenimmunität zu erreichen – bei der infektiöseren Delta Variante wird dies bei circa 85 Prozent angenommen. Es ist wenig solidarisch, sich auf den Herdenschutz zu berufen, da es Menschen gibt, die nicht geimpft werden können oder für die noch keine Impfung zugelassen ist, für Kinder beispielsweise. Die Impfung ist das einzige auf längere Zeit wirksame Instrument, die Pandemie dauerhaft zu überwinden.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Ich wünschte mir, dass sich Menschen mit Kontraindikation für die Impfung auf die Herdenimmunität verlassen dürften. Gerade in Sachsen sind wir weit weg davon, sodass die Annahme blauäugig ist.

Hausarzt Erik Bodendieck: Da der Immunschutz der über 60-jährigen Geimpften nach sechs Monaten recht schnell nachlässt, geht der Herdenschutz auch noch ohne Boosterimpfungen gerade wieder runter. Da außerdem die Impfung zwar die Ansteckung seltener macht und vor schweren Verläufen und Tod schützt, aber eine Infektion nicht völlig verhindert, beklagen wir derzeit auch Infektionen bei Geimpften, die dann auch die Infektion weitergeben. Zwar wesentlich seltener als Ungeimpfte, aber wir werden nie eine Herdenimmunität im klassischen Sinne erreichen können. Das ist nicht schlimm, wenn wir durch eine möglichst hohe Impfrate zumindeste die Anzahl der Patienten in Krankenhäusern und die Anzahl der an Covid-19-Verstorbenen gering halten können.

Drei Experten beantworten die Fragen

Virologe Prof. Dr. Alexander Dalpke

Er leitet das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie am Universitätsklinikum der TU Dresden. Er selbst ist Facharzt sowohl für Virologe als auch für Mikrobiologe, Infektionsepidemiologie und Fachimmunologe. Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit der Erkennung von Krankheitserregern durch das Immunsystem. In Gesprächen mit der Sächsischen Zeitung, in seiner Kolumne und in Podcasts mit Sächsische.de erklärt er seit zwei Jahren die Corona-Lage in Sachsen.

Psychotherapeutin Prof. Dr. Kerstin Weidner

Sie ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und leitet die Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum der TU Dresden. Sie etablierte Behandlungsangebote für psychisch erkrankte bzw. belastete Frauen in Schwangerschaft und Mutterschaft. Kerstin Weidner ist stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie.

Hausarzt Dr. Erik Bodendieck

Er ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Palliativmediziner, Suchtmediziner und Diabetologe in eigener Niederlassung in Wurzen. Er ist seit 2015 Präsident der Sächsischen Landesärztekammer sowie Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer. Er berät in seiner Funktion als Arzt und Präsident die Landes- und Bundespolitik in gesundheitspolitischen Fragen, hält Fachvorträge und ist regelmäßig Interviewpartner regionaler und überregionaler Medien.

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Eine Infektion würde mich langfristig stabiler immun gegen Corona machen, also nehme ich das eher in Kauf.

Virologe Alexander Dalpke: Nach einer Infektion mit Sars-CoV 2 entsteht eine Immunität, die für einen gewissen Zeitraum gegen die erneute Infektion schützt. Aktuell geht man dabei von etwa sechs Monaten aus, gerade bei milden Verläufen kann dieser Zeitraum aber auch deutlich kürzer sein. Dies liegt daran, dass Antikörper wieder abgebaut werden. Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass nach Impfung mit mRNA Impfstoffen zwei- bis viermal besser neutralisierende Antikörper als nach natürlicher Infektion nachgewiesen werden – die Immunität nach Impfung ist also effektiver.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Wir alle werden immunisiert – kontrolliert durch die Impfung oder unkontrolliert durch die Infektion. Ich würde mich für den kontrollierten Weg entscheiden. Gesunde, ungeimpfte Menschen mit schweren oder sogar tödlichen Verläufen bzw. langer Rehabilitation sind Realität.

Hausarzt Erik Bodendieck: Bei einer Infektion stirbt einer von 33 Erkrankten, an einer Impfung mit mRNA-Impfstoffen stirbt einer auf circa drei Millionen Geimpfte, ein Unterschied um den Faktor 10.000. Außerdem besteht ein relativ hohes Risiko (rund 20 Prozent), Long-Covid zu bekommen, wogegen es keine Langzeitschäden nach der Impfung gibt. Mit regelmäßigen Nachimpfungen kann man sich genauso stabil vor Corona schützen wie mit einer Infektion.

Ich möchte auf langfristigere Studien oder einen Tot-Impfstoff warten.

Virologe Alexander Dalpke: Der Ruf nach „langfristigen“ Studien beruht auf einem Missverständnis: Nebenwirkungen nach Impfungen treten immer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auf – also eben nicht Monate oder Jahre später! Um jedoch sehr seltene Nebenwirkungen zu erfassen, muss man viele Impflinge beobachten. Bei den zugelassenen Covid-19 Impfstoffen sind jedoch weltweit bereits so viele Dosen verimpft worden, dass sogar extrem seltene Nebenwirkungen sicher erkannt worden wären. Totimpfstoffe sind in anderen Ländern der Welt zugelassen: Die Effektivität dieser Impfstoffe ist geringer, sie sind auch nicht grundsätzlich nebenwirkungsärmer.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Jeder unbekannte und nicht von sich aus entschiedene „Eingriff“ in den Körper macht Angst, das verstehe ich absolut. Diese Angst muss sehr ernst genommen werden. Leider rennt uns die Zeit davon, die Pandemie flammt wieder massiv auf und droht unser soziales Leben erneut zu lähmen. Die Prinzipien der aktiven Immunisierung, die verschiedenen Wirkungen sind seit Jahren erprobt und kein Experiment. Darauf darf man vertrauen.

© Illustration: Katja Zadnicek

Hausarzt Erik Bodendieck: Das Risiko, sich zu infizieren, während man auf andere Impfstoffe wartet, ist bei den derzeitig explodierenden Inzidenzen extrem groß. Dieses Risiko muss man bewusst eingehen und sich über die Konsequenzen klar sein. Man muss dann seine sozialen Kontakte maximal einschränken, sich regelmäßig testen und konsequent eine FFP2-Maske in geschlossenen Räumen tragen, um das Risiko bis dahin möglichst gering zu halten.

Diese Impfung führt zu Zyklusstörungen und verursacht Herzinfarkte. Ich sorge mich, dass ich durch die Impfung unfruchtbar werde.

Virologe Alexander Dalpke: Die zugelassenen Covid-19 Impfstoffe sind ausführlich geprüft und als sicher eingestuft worden. Keine der genannten Erkrankungen steht in ursächlichem Zusammenhang zur Impfung.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Wir Menschen brauchen für Gesundheitsstörungen Erklärungen. Das gibt uns die Möglichkeit zu handeln, präventiv oder therapeutisch. Die meisten Erkrankungen sind nicht durch eine isolierte Ursache zu erklären. Gerade die benannten Beispiele haben verschiedene Ursachen, manchmal findet man gar keine – das kann hilflos machen. Dann bieten sich eigene Erklärungsmodelle an. Sicher braucht es deutlich spezifischere Aufklärung, um Ängsten besser zu begegnen und reale und irreale Ängste zu sortieren.

Hausarzt Erik Bodendieck: Bisher gibt es keinen statistischen Hinweis darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen der Impfung und Herzinfarkten geben könnte. Aber natürlich bekommen in Sachsen jeden Tag ca. 22 Menschen einen Herzinfarkt, es musste also dieses Jahr auch einige geben, die ihren Herzinfarkt in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung bekamen. Wir nennen das eine zufällige Koinzidenz.

Zyklusveränderungen nach Impfungen sind ganz normal und werden auch nach anderen Impfungen beobachtet, übrigens auch bei Stress. Und man kann es nur immer wieder gebetsmühlenartig wiederholen: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass dieser Impfstoff die Fruchtbarkeit negativ beeinflusst. Wenn die durch die Impfung induzierte Produktion von Spike-Proteinen die Fruchtbarkeit beeinträchtigen würde, wäre im Umkehrschluss jede Frau mit einer Corona-Infektion von Unfruchtbarkeit bedroht. Es zeigen sich aber keine Veränderungen der Geburtenraten weltweit.

Es handelt sich hier um eine sich hartnäckig haltende Fehlinformation, die übrigens schon vor 200 Jahren bei der Pockenimpfung gestreut wurde, anschließend bei der Einführung der Eisenbahn, später beim Aufkommen der Autos und aktuell natürlich auch beim Gebrauch von Handys.

Die bisherigen Impfstoffe sind zu wenig erprobt, ich habe Angst vor Langzeitschäden.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Angst begleitet uns aktuell in vielen Facetten. Angst vor der Erkrankung, Langzeitfolgen, Angst vor sozialer Isolation, finanziellen Einbußen, Über- oder Unterforderung und eben auch Angst vor der Impfung. Die Wirkprinzipien aktiver Immunisierung sind erforscht. Wir verfügen über ein breites Wissen verschiedenster Impfstoffe, die Corona-Impfstoffe sind nicht die ersten. Langzeitschäden, die erstmals lange Zeit nach der Impfung auftreten, sind noch bei keiner Impfung beobachtet worden und auch bei Corona-Impfstoffen nicht zu erwarten. Ich staune über die Bereitschaft, Impfungen mit Nebenwirkungen für Auslandsreisen zu tolerieren und aktuell die Angst vor Langzeitfolgen einer Corona-Impfung dominieren zu lassen. Ich persönlich habe deutlich mehr Angst vor den sozialen Folgen für Kinder und Jugendliche.

Hausarzt Erik Bodendieck: Bisher hat noch kein Impfstoff einen Langzeitschaden verursacht, es gibt keinen Grund, dass dies bei mRNA-Impfstoffen anders sein sollte. Der Impfstoff selbst ist spätestens nach 48 Stunden komplett abgebaut und ausgeschieden. Im Gegensatz zu einem Dauermedikament wie der Antibabypille oder einem Blutdruckmedikament bekommt man diese Impfung auch nur zweimal und dann im Abstand von sechs- bis zwölf Monaten als Auffrischimpfung. Es gibt also gar keine dauerhafte Zufuhr, die einen Langzeitschaden verursachen könnte.

Die Pharmaindustrie verdient doch am meisten an den Impfstoffen, das macht mich sehr misstrauisch.

Virologe Alexander Dalpke: Impfstoffe werden durch unabhängige Behörden geprüft und dann zugelassen. Für die Zulassung spielen monetäre Aspekte keine Rolle.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Jedes Unternehmen verdient an seinen Produkten. Ich würde mich freuen, wenn ein Teil zum Beispiel in die TBC-Bekämpfung zurückfließen würde oder wir endlich einen Weg finden, die Corona-Impfquote in den ärmeren Ländern zu erhöhen.

Hausarzt Erik Bodendieck: Und die Autoindustrie verdient an Autos, die Handyfirmen an Handys usw. Wir können dankbar sein, dass es so schnell gelungen ist, Impfstoffe zu produzieren, anderenfalls läge die Todesrate weltweit um mindestens den Faktor zehn höher. An Innovationen werden immer Menschen verdienen, an diesem Prinzip ist nichts verkehrt. Aber natürlich müssen sich Innovationen immer an ihrem Nutzen messen lassen und in Bezug auf den Impfstoff ist der Nutzen viel tausendfach höher als die Risiken.

Ich traue den Studien nicht. Selbst bei Biontech/Pfizer wurden jetzt grobe Verstöße und Schlampereien bekannt.

Virologe Alexander Dalpke: Die Zulassungsstudien werden durch Behörden geprüft. Darüber hinaus gibt es extrem umfangreiche Daten, die durch unabhängige Wissenschaftler in vielen weiteren Studien, Untersuchungen und Auswertungen erhoben wurden. Diese bestätigen Effektivität und Sicherheit der Impfstoffe. Es besteht Konsens, dass die zugelassenen Impfstoffe sicher und wirksam sind und für mindestens sechs Monate sehr gut vor schweren Krankheitsverläufen schützen. Die jetzt berichteten Nachlässigkeiten beeinflussen die Gesamtaussagen der Studien nicht – gleichwohl sie natürlich nicht passieren dürfen.

Sachsen meldet derzeit mehr Corona-Fälle als je zuvor - trotz Impfungen.
Sachsen meldet derzeit mehr Corona-Fälle als je zuvor - trotz Impfungen. © Illustration: Katja Zadnicek

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Es ist wichtig, die Vorwürfe gründlich zu prüfen, auch um Wiederholung zu vermeiden. Selbst wenn diese sich bewahrheiten sollten, sehen unabhängige Experten die Zuverlässigkeit der Gesamtstudie aber nicht diskreditiert. Vertrauen auszusprechen – so wie es der Großteil der Bevölkerung ja auch tut – kann auch ein wesentlicher Resilienzfaktor in einer Krise sein.

Hausarzt Erik Bodendieck: Wir haben unabhängig von den durch die Pharmafirmen durchgeführten Studien jetzt seit elf Monaten die größte Feldstudie der Welt. Noch nie wurden Medikamente so sorgfältig beobachtet und untersucht. In Deutschland gab es pro 100.000 Impfdosen nur 20 Meldungen von nennenswerten unerwünschten Impfreaktionen. Das ist eine unfassbar niedrige Rate. Zum Vergleich: Es wird geschätzt, dass es in Deutschland jedes Jahr zwischen 1.000 und 5.000 Tote durch die Einnahme von Aspirin gibt.

Auch Geimpfte können sich infizieren und das Virus übertragen, dann kann ich die Impfung ja auch gleich lassen.

Virologe Alexander Dalpke: Die Impfung schützt sicher vor schweren Krankheitsverläufen, insbesondere solchen, die zur Krankenhauseinweisung und Behandlung auf der Intensivstation führen. Damit wird eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden. Der Impfschutz gegen leichte Erkrankungsformen nimmt mit zunehmendem Abstand zur zweiten Impfung teils deutlich ab. Dann können sich auch Geimpfte infizieren und das Virus übertragen, die Ausscheidungsdauer ist aber kürzer. Aufgrund der deutlich selteneren und milderen Infektionen bei Geimpften tragen diese wenig zum Gesamtverlauf der Pandemie bei. Durch eine Auffrischungsimpfung kann außerdem die schützende Immunantwort wiederhergestellt werden.

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Leider zeigen sich Infektionen auch bei Geimpften, weil sich das Virus verändert – ähnlich wie Grippeviren. Außerdem lässt mit der Zeit die Wirksamkeit nach. Es sind aber mildere Verläufe und das Risiko, andere Menschen anzustecken, ist deutlich reduziert. Die Impfung ist kein perfekter Schutz, aber der beste, der uns aktuell zur Verfügung steht. Es ist wichtig, sich nicht allein auf die Impfung zu verlassen und weiterhin zum Beispiel die AHA+L-Regeln zu beachten.

Hausarzt Erik Bodendieck: Wenn sich zehn Ungeimpfte infizieren, infiziert sich nur ein Geimpfter. Und dieser infizierte Geimpfte überträgt das Virus dann auch noch deutlich seltener, etwa mit dem Faktor 1:5. Bei den derzeitigen hohen Inzidenzen ist die Wahrscheinlichkeit, dass man im Laufe des Tages einen Infizierten trifft, leider sehr hoch. Man sollte also sein persönliches Infektionsrisiko durch die Impfung minimieren und die Menschen im eigenen Umfeld schützen, da man auch andere weniger gefährdet.

Es existiert bereits ein klarer Zwang, was doch eine Impfpflicht durch die Hintertür ist. Das provoziert doch geradezu die Ablehnung.

Virologe Alexander Dalpke: Klar begründete Empfehlungen, wie sie die Stiko zur Covid-19 abgibt, sollten keine Ablehnung erfahren: Diese stellen den aktuellen Stand der Wissenschaft dar und beruhen auf wissenschaftlich messbaren Tatsachen, nicht auf Meinungen oder politischen Empfehlungen. Verantwortlich und rational handelt, wer wissenschaftlichen Empfehlungen folgt.

© Illustration: Katja Zadnicek

Psychotherapeutin Kerstin Weidner: Ist das nicht sehr einfach gedacht? Sucht individuelle Ablehnung nicht aktiv nach Bestätigung und können wir eine solche Diskussion nicht ausschließlich in einer Wohlstandsgesellschaft führen? Ich weiß nicht, ob wir die Pocken ausgemerzt hätten ohne Impfpflicht. Ich bin sehr für Selbstbestimmung, aber auch dafür, dass jeder Mensch seine gesellschaftliche Pflicht wahrnimmt und überlegt: Was kann ich persönlich in der aktuellen, alle Menschen körperlich, seelisch und sozial gefährdenden Zeit tun, um Normalität wiederzuerlangen? Wie kann ich meine Familie, Freunde oder Patienten schützen und mitwirken, dass wir die Pandemie beenden?

Hausarzt Erik Bodendieck: Es wurde alles versucht: Impfangebote überall, Aufklärung, Appell an die Vernunft, Appell an die Solidarität mit Schwächeren, Bratwurst, Selfies mit Berühmtheiten … In den USA gab es Lotterielose, Geldprämien und freies Marihuana. Was sollen wir noch versuchen? Eine psychologische Studie des Karlsruhe Institute of Technology hat ergeben, dass bei einer Prämie von 500 Euro sich 90 Prozent der Impfskeptiker impfen lassen würden. Das wäre vielleicht auch eine Idee: Jeder Geimpfte bekommt bei der Steuer 2021 einen Steuerfreibetrag von 500 Euro eingeräumt. Aber sind wir wirklich schon so weit, dass es nur noch mit Geld geht? Es gibt ganz sicher keine patenten Rezepte, aber 2G ist eine Methode, wie wir Menschen zum Impfen bringen.

Illustrationen: Katja Zadnicek.