Johannes Witoschek ist genervt: Schon wieder muss er Einschränkungen für sein Nikolai-Café auf dem Görlitzer Nikolaigraben hinnehmen. Dabei müsste er sich das alles gar nicht mehr antun - der stadtbekannte Mann ist mittlerweile 75 Jahre alt und könnte das Rentnerleben genießen. Doch das will er gar nicht, er braucht Beschäftigung.
Und so öffnet er jetzt (noch) das Nikolai-Café und beugt sich den staatlich angeordneten Auflagen. Wie lange Gaststätten angesichts der galoppierenden Corona-Infektionszahlen im Landkreis Görlitz noch öffnen dürfen, ist ungewiss.
Essen abholen ist jetzt der Trend
Johannes Witoschek ist einer der eher wenigen Gastwirte, die überhaupt über ihre Situation mit der Sächsischen Zeitung und Sächsische.de sprechen. Andere haben gar nichts zu sagen, weil sie ihre Restaurants vorübergehend schlossen. Der "Zeltgarten" im Stadtteil Weinhübel zum Beispiel. Dort werden potenzielle Gäste mittels Aushang über die Gründe informiert. Bei anderen Wirten gibt es lediglich Essen zum Abholen wie bei der "Alten Stadtwache" auf dem Görlitzer Obermarkt.
Mathias Weise, Inhaber des "Nordquells" in Königshufen, schloss seine Billardbar. Denn die war eher abends gut besucht. Das Restaurant ist aber geöffnet. Und er bietet zusätzlich Essen zum Abholen an. "Das sollte man unbedingt vorher bestellen, damit im Gastraum nicht fünf, sechs Menschen auf ihr Essen gleichzeitig warten", sagt er. Auf verstärkten zusätzlichen Abholservice setzen nun viele Gaststätten, darunter das "Saloniki" in Stannewisch bei Niesky und der "Berggasthof" in Jauernick-Buschbach.
Gastwirte wegen 2G-Kontrollen diffamiert
Für den Besuch von Gaststätten gilt die 2G-Regel. Zutritt zu den Gasträumen haben also nur Menschen, die nachweislich genesen oder geimpft sind. Das wird in jeder der befragten Gaststätten kontrolliert. Zwar ist das immer eine zusätzliche Arbeit, aber eine kurze Wartezeit am Eingang sei nichts Neues, sagt Beatrix Jende. Die Inhaberin des "Gastmahl des Meeres" in Görlitz erinnert daran, dass schon zu DDR-Zeiten die Gäste am Eingang warteten, weil das Personal für sie einen passenden Tisch auswählte. Das ist in diesem Restaurant noch heute so. "Die meisten Gäste halten nun ihren Impfnachweis am Eingang bereit", erklärt sie.
Das ist in der "Alten Apotheke" in Kodersdorf nicht anders, bestätigt Restaurant-Inhaber Henry Kieslich. Werden dort Plätze telefonisch reserviert, weist er ausdrücklich auf die 2G-Regel hin, sodass der Nachweis beim Gaststättenbesuch meist unaufgefordert erfolgt.
Viel mehr Probleme hat dagegen Martina Neuer vom Reichenbacher "Schwabenpfeil". Einige Anrufer machten ihr sehr zu schaffen. Die Ankündigung des "Schwabenpfeil", die 2G-Regelungen einzuhalten und zu kontrollieren, "stieß bei manchen Gästen nicht nur auf Unmut, sondern auf Unverständnis und Absagen", erzählt die Reichenbacherin. Die Inhaber des "Thomashof" in Borda wurden am Telefon übel beschimpft, weil sie sich an 2G halten. Dabei könne nur in Gemeinschaft mit den Gästen durchgehalten werden, betont Martina Neuer.
Gästezahlen brechen ein
Doch mit dieser Gemeinschaft ist es offenbar nicht weit her. Denn alle befragten Gaststätten beklagen einen massiven Rückgang der Gästezahl - obwohl die Impfquote aktuell im Landkreis Görlitz mit 64,5 Prozent vollständig geimpfter Personen deutlich über dem sächsischen Durchschnitt von 57,9 Prozent liegt. Etwa die Hälfte der Besucher sei dem "Schwabenpfeil" weggebrochen. Im "Gastmahl des Meeres" waren es mit der 3G-Regel etwa 40 Prozent weniger Gäste, jetzt, mit 2G, sind es "50 Prozent oder noch mehr", erklärt Beatrix Jende. Im "Nordquell" sind es 30 Prozent weniger, mit Schließung der Billardbar sogar 60 Prozent, rechnet Mathias Weise vor.
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Zum Kodersdorfer Henry Kieslich kommt jetzt etwa nur die Hälfte der sonst üblichen Gästeschar, denn hier wie in den anderen Gaststätten seien fast alle Weihnachtsfeiern von Firmen und Einrichtungen und auch beinahe alle Familienfeiern abgesagt worden. „Rein rechnerisch wäre es besser, zuzumachen“, bringt es Martina Neuer auf den Punkt.
Gästekiller auf dem Land: 20 Uhr schließen Lokale
Die Gaststättentür zuzuschließen, ist jedoch für die meisten Gaststätten keine Option. Gastronomen sind Gastwirte mit Leib und Seele. Sie wollen ihren Gästen den gewohnten Service bieten. Die Mehrheit verschließt sich andererseits aber auch nicht den Vorschriften, die die Pandemie ihr aufzwingt. Doch der Spaß am und die Lust auf den Beruf sei derzeit weg, wie Henry Kieslich sagt.
Auch Gastronomen müssen wirtschaftlich arbeiten. Sie tragen Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Zehn oder 20 Essen am Tag lohnen sich für keinen Wirt, da seien die Kosten viel höher. Also bleibt den meisten gar nichts anderes übrig, als die Öffnungszeiten der Lokale einzuschränken. 20 Uhr ist ohnehin Schluss, wie die aktuelle Corona-Regelung fordert. Es zeige sich, dass diese Schließzeit immer mehr zum Gästekiller wird. "Alle, die länger arbeiten müssen, sagen ab, obwohl sie die 2G-Regelung erfüllen. Gerade für den ländlichen Raum ist das eine schwierige Situation", erklärt Martina Neuer.
Johannes Witoschek zum Beispiel öffnet nur noch am Freitag und Sonnabend bis 17 Uhr. Bei guter Nachfrage will er sonntags Mittagessen anbieten. Henry Kieslich lässt sich von jedem Gast, der in der Woche einen Platz reserviert, die Telefonnummer geben. Kommen für den gewünschten Tag nicht genügend Reservierungen zustande, sagt er schließlich den Gästen ab.
Hoffnung auf die Weihnachtsfeiertage
Vorläufig ist die 2G-Regel in Gaststätten bis zum 12. Dezember festgeschrieben. Dass sich danach sofort etwas ändert und verbessert, glaubt keiner der befragten Wirte. Die Befürchtungen gehen eher zum erneuten Lockdown. Dennoch hoffen sie, wenigstens an den Weihnachtsfeiertagen die Reservierungen nicht auch noch absagen zu müssen. "Dann hätten wir ganz umsonst unsere Lokale weihnachtlich geschmückt", erklärt Henry Kieslich.