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Brüssel erlaubt Subventionen für sieben sächsische Mikrochipfirmen

Die Europäische Kommission genehmigt Zuschüsse für Mikroelektronik-Projekte in elf Bundesländern. Sachsen ist vorne mit dabei.

Von Georg Moeritz
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Im Reinraum kontrollieren Infineon-Angestellte an Bildschirmen die Anlagen. Zum Ausbau der Dresdner Mikrochipproduktion erlaubt die EU-Kommission  dem Bund, Fördergeld auszugeben.
Im Reinraum kontrollieren Infineon-Angestellte an Bildschirmen die Anlagen. Zum Ausbau der Dresdner Mikrochipproduktion erlaubt die EU-Kommission dem Bund, Fördergeld auszugeben. ©  Robert Michael/dpa

Dresden. Der Spatenstich für die neue Infineon-Mikrochipfabrik in Dresden fand schon Anfang Mai statt, doch an diesem Donnerstag kam die Genehmigung für die Subventionen: Die Europäische Kommission in Brüssel hat Zuschüsse für 31 Mikroelektronik-Projekte in elf Bundesländern genehmigt. Sachsen ist mit neun Projekten von sieben Firmen dabei - darunter der milliardenschweren neuen Chipproduktion.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach in Berlin von einem industriepolitischen Meilenstein. Die deutsche Halbleiterbranche werde gestärkt und damit die "Widerstandsfähigkeit in ganz Europa". Das sei entscheidend im harten globalen Wettbewerb.

Weil Mikrochips vorwiegend in Asien hergestellt werden, hat die EU-Kommission für Europa ein Wachstumsziel vorgegeben: Bis 2030 soll Europas Anteil an der Weltproduktion von Mikrochips mehr als verdoppelt werden, auf 20 Prozent. Dazu sollen Zuschüsse nach dem European Chips Act dienen, der noch dieses Jahr in Kraft treten soll. Zusätzlich gibt es Ipcei-Projekte, darunter die nun genehmigten: Ipcei steht für Important Project of Common European Interest, also wichtiges Projekt im gemeinsamen europäischen Interesse.

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Vier Milliarden Euro Subventionen tragen Bund und Länder zu Investitionen von insgesamt gut zehn Milliarden Euro in diesem zweiten Ipcei Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien bei. Bekanntestes Beispiel ist das Vorhaben von Infineon zur Erweiterung seiner Mikrochipfabrik mit 1.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in Dresden.

Habeck hatte dort den Baubeginn schon vor Genehmigung der Subventionen zugelassen, demnach wurde mit der Erlaubnis gerechnet. Der Bau und die Maschinen in Dresden kosten fünf Milliarden Euro. Eine Milliarde Euro davon zahlt der Staat, davon ein Viertel aus dem Ipcei-Programm, drei Viertel nach dem European Chips Act.

Fördergeld auch für Chip-Designer und Rohling-Lieferanten

Anteile an den vier Milliarden Ipcei-Euro kommen auch den Dresdner Mikrochip-Fabrikanten Globalfoundries und Bosch zugute. Zur Höhe der einzelnen Subventionen machte Habeck am Donnerstag keine Angaben. Deutschland zahlt in diesem Förderprogramm am meisten: Das Ipcei-Programm umfasst europaweit gut acht Milliarden Euro Zuschüsse, wodurch zusätzliche private Investitionen im Umfang von 13,7 Milliarden Euro mobilisiert werden dürften.

Im Fall von Bosch fließt der Zuschuss zum Teil an die Tochterfirmen Sensortec und Bosch SMD. Ipcei-Fördergeld geht in Sachsen auch an das Unternehmen Freiberger Compound Materials, das Chipfabriken Rohlinge aus Materialien wie Galliumarsenid liefert. In Dresden profitiert die Infineon-Tochterfirma Siltectra vom Fördergeld, die eine Technik zum Spalten von Siliziumkarbid entwickelt hat. Außerdem gefördert werden in Dresden Ferroelectric Memory, die Niederlassung des niederländischen NXP-Konzerns und die Chipdesigner von Racyics, ein wichtiger Partner von Globalfoundries.

Diese 31 Firmenstandorte bekommen Zuschüsse aus dem zweiten Ipcei-Programm Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien. Bosch und Infineon stehen mit mehreren Tochterfirmen auf der Karte.
Diese 31 Firmenstandorte bekommen Zuschüsse aus dem zweiten Ipcei-Programm Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien. Bosch und Infineon stehen mit mehreren Tochterfirmen auf der Karte. © BMWK

Das Ipcei-Fördergeld darf laut Bundeswirtschaftsministerium nicht zum Aufbau einer Massenproduktion eingesetzt werden, sondern nur für die Schritte davor: Entwicklung ressourceneffizienter Fertigungstechnologien und Überführung von Projekt-Ergebnissen zur ersten industriellen Anwendung. Voraussetzung für die Förderung ist außerdem, dass mindestens vier europäische Mitgliedstaaten beteiligt sind und andere auch davon profitieren. Infineon betont daher, auch beispielsweise in Österreich und Ungarn zu produzieren. Globalfoundries verlagert gerade eine Abteilung von Dresden nach Portugal und investiert in Frankreich.

Kretschmer betont: Tempo wichtig bei Staatshilfen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) begrüßte in einer Pressemitteilung die Entscheidung von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Der sagte zügige Genehmigungsverfahren seien gerade im schnelllebigen Mikroelektronik-Geschäft zunehmend ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit von Industriestandorten. Nun sei es am Bund, zügig die entsprechenden Zuwendungsbescheide zu erlassen, so dass die deutschen Unternehmen Verbindlichkeit über ihre Förderung erhielten. Sachsen werde seine Entscheidung über die notwendige Mitfinanzierung der sächsischen Projekte "sehr zeitnah auf den Weg bringen". Die Länder tragen 30 Prozent der Ipcei-Zuschüsse.

Es sei wichtig, dass Deutschland sich gemeinsam mit Frankreich und anderen Mitgliedsstaaten mit der Kommission darüber austausche, Beihilfeverfahren künftig noch transparenter, effizienter und zügiger zu gestalten. Der Chips Act in den USA und die massiven staatlichen Förderprogramme in Asien zeigten: Es genüge längst nicht mehr, bei Forschung und Entwicklung die Nase vorn zu haben. Die Projekte müssten dann auch schnell beihilferechtlich "auf die Straße kommen".

Im Ringen um die Fördergelder aus Berlin und die Genehmigungen aus Brüssel hat sich Globalfoundries stark engagiert. Globalfoundries-Sprecher Jens Drews in Dresden sagte, das Unternehmen sei "Pionier" im ersten Mikroelektronik-Ipcei mit überzeugenden Technologie-Resultaten gewesen. "Wie die ganze Community freuen wir uns, dass heute die lang erwartete beihilferechtliche Genehmigung erfolgt ist", schrieb Drews. Es sei ein wichtiger administrativer Meilenstein. Nun könne sich Globalfoundries auf seine "eigentliche Aufgabe" konzentrieren - Innovationen für anspruchsvolle Chipmärkte zu liefern.

Intel und TSMC sind noch nicht dabei

Nicht auf der Liste der Ipcei-Förderprojekte ist die geplante Magdeburger Chipfabrik des US-Konzerns Intel - Sachsen-Anhalt kommt bei diesem Subventionsprogramm gar nicht vor. Auch der taiwanische Chipkonzern TSMC wird nicht erwähnt - er prüft gerade einen möglichen Neubau in Dresden, macht ihn aber unter anderem von Zuschüssen und ausreichend Fachkräften abhängig.

Die meisten Projekte von den 31 neuen Ipcei-Subventionen laufen in Bayern - beispielsweise wird der Chemiekonzern Wacker bedacht, dessen Tochter Siltronic im sächsischen Freiberg auch Siliziumscheiben für die Chipindustrie herstellt. In Thüringen sind unter anderem Zeiss und X-Fab dabei. Die geplante Chipfabrik des US-Konzerns Wolfspeed im Saarland bekommt ebenfalls Ipcei-Fördergeld.

Das erste Ipcei-Programm hatte die EU-Kommission 2018 genehmigt, mit wesentlich weniger Geld. Damals wurden etwa eine Milliarde Euro an Unternehmen in Deutschland ausgereicht. Die Dresdner Chipfabriken waren dabei, auch X-Fab und das neue Werk von Bosch. Die Investitionen damals waren einige der ersten Fabrik-Neubauten der Branche nach langer Pause in Europa.