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Dynamo: Knipping erfolgreich am Knie operiert

Der Vize-Kapitän hatte sich beim Spiel in Rostock schwer verletzt. Nach der OP meldet er sich bei den Fans. Für die Dresdner ist er schwer zu ersetzen.

Von Sven Geisler
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Am Mittwoch wurde Tim Knipping in der Media-Park-Klinik in Köln
erfolgreich operiert. Dieses Bild postete er danach auf seinem Instagram-Profil.
Am Mittwoch wurde Tim Knipping in der Media-Park-Klinik in Köln erfolgreich operiert. Dieses Bild postete er danach auf seinem Instagram-Profil. © Screenshot Instagram

Dresden. Für eine solche Verletzung gibt es keinen guten Zeitpunkt, schon gar nicht für den Betroffenen. Tim Knipping aber erwischt es ausgerechnet in einer Phase, in der er unfassbar gut drauf war. Das hat Dynamos Trainer Alexander Schmidt so gesagt, weil er in einem Wort ausdrücken wollte, was der Vize-Kapitän in dieser Saison bisher geleistet hat. Das Fachmagazin Kicker hatte den 28 Jahre alten Innenverteidiger nach den ersten drei Spielen jeweils in die „Elf des Tages“ berufen. Ein viertes Mal wird es so schnell nicht geben.

„Knipser“, wie er im Mannschaftskreis genannt wird, hat sich beim 3:1-Sieg im Ost-Duell bei Hansa Rostock am Samstagabend einen schweren Schaden im rechten Knie erlitten: Kreuz- und Innenband gerissen, der Innenmeniskus in Mitleidenschaft gezogen. Am Mittwoch wurde er nun in der "MediaPark Klinik" in Köln operiert - und meldete sich nur Stunden nach dem Eingriff auf Instagram. "Der erste große und wichtige Schritt ist getan. Meine OP ist gut verlaufen und die Schmerzen lassen sich aktuell aushalten", schrieb er. "Auch wenn ich mich in den nächsten Wochen noch ein wenig gedulden muss, bin ich bereits extrem motiviert und brenne darauf, meine Reha zu starten." Den Eingriff hatte Dr. Peter Schäferhoff, Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie, durchgeführt, teilte der Verein im Vorfeld mit.

Bereits vor der Operation hatte sich Knipping in den sozialen Medien gemeldet, um seine Gedanken mit den Dynamo-Fans zu teilen und sich für die vielen Genesungswünsche zu bedanken. "Es gibt Herausforderungen die muss man, ob man möchte oder nicht, annehmen", schreibt er. "Dass es mich in allzu kurzer Zeit nun mehrfach trifft, war nicht vorherzusehen und zog mich mental nach den erfolgreichen letzten Wochen kurzzeitig in ein Tief. Viele Gespräche in den letzten Tagen haben mir geholfen und ich gebe auch jetzt nicht auf." Sein Versprechen in großen Buchstaben: "ICH KOMME WIEDER!"

Dennoch stellt sich akut für die sportliche Leitung eine Frage: Wird Dynamo einen Ersatzmann verpflichten? Das Transferfenster schließt erst am nächsten Dienstag, dafür wäre der Zeitpunkt also günstig, auch wenn es besser nie passiert wäre.

„In dieser Woche werden wir die Situation noch mal in aller Ruhe intensiv analysieren und anschließend eine gemeinsame Entscheidung treffen, wie wir den Ausfall eines Leistungsträgers und Führungsspielers in dieser Situation am besten auffangen können“, antwortet Dynamos Sportgeschäftsführer Ralf Becker auf eine Anfrage der SZ. „Tim war für mich in den ersten fünf Pflichtspielen der Saison der beste Innenverteidiger der Liga, weil er sich in herausragender Form präsentiert hat.“

Sportchef Becker schließt nichts aus, aber ...

Er wolle derzeit nichts ausschließen, meint Becker, aber: „Den Ausfall von Tim Knipping werden wir nicht eins zu eins ersetzen können.“ Natürlich könnte Dynamo einen Innenverteidiger holen: 1,90 Meter groß, 80 Kilo schwer, Zweitliga-Erfahrung. Das sind nur statistische Parameter. Knipping ist aber nicht nur der Stabilisator und Motivator auf dem Platz, er ist einer, der mit seiner Lebenserfahrung und -einstellung auch abseits des Fußballs Halt und Bodenständigkeit vermittelt.

Behandlung direkt auf dem Rasen in Rostock, jetzt steht fest: Dynamos Tim Knipping fällt mit einer schweren Knieverletzung lange aus.
Behandlung direkt auf dem Rasen in Rostock, jetzt steht fest: Dynamos Tim Knipping fällt mit einer schweren Knieverletzung lange aus. © Eibner-Pressefoto

„Tim hat schon so viele besondere Herausforderungen als Fußballer und Mensch in seinem Leben gemeistert, das wird er mit der Unterstützung von allen in unserem Team auch diesmal schaffen“, erklärt der Sportchef. Das ist die Vorgeschichte: Knipping hatte sich bereits im Mai 2018 schwer verletzt. Das gebrochene Schienbein wurde mit einem Nagel fixiert, doch als die Betäubung nachließ, bekam er unerträgliche Schmerzen, schrie um Hilfe, musste notoperiert werden. Der Unterschenkel wurde komplett aufgespalten, um den Druck rauszunehmen. Es drohte sogar eine Amputation.

„Wenn man so etwas durchgemacht hat, weiß man die kleinen Dinge viel mehr zu schätzen, nimmt vieles bewusster wahr“, hat Knipping in einem Interview über diese Erfahrung gesagt. Er schafft sich danach beruflich ein zweites Standbein als Gastronom. Seit gut zwei Jahren betreibt er mit einem Freund ein italienisches Restaurant in Heidelberg, im Vorjahr eröffnete er mit zwei ehemaligen Mitspielern in Regensburg ein Brunch-Restaurant. Insgesamt sind es 30 Angestellte. „Für sie habe ich eine Verantwortung, und ich möchte, dass sie langfristig auf soliden Beinen stehen“, meinte der Unternehmer Knipping.

Tim Knipping richtet nach seiner Verletzung den Blick nach vorn. In seiner Karriere hatte er schon einige Verletzungen.
Tim Knipping richtet nach seiner Verletzung den Blick nach vorn. In seiner Karriere hatte er schon einige Verletzungen. © Picture Point/Gabor Krieg

Er ist grundsätzlich sozial eingestellt, engagiert sich für Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind – wie für Leon. Der 14-Jährige kämpft zum dritten Mal gegen den Krebs und braucht einen Begleithund. Als der Dynamo-Profi den Spendenaufruf las, besuchte er den Jungen in der Nähe von Chemnitz, bot ihm seine Freundschaft an und half, das Geld zu sammeln. 2.000 Euro brachte eine Versteigerung seines Trikots, rund 4.000 Euro gingen bei Knipping direkt als Spenden ein und 14.000 Euro kamen mit dem „Dynamo-Riesenrad“ zusammen.

Stiefvater starb an einer Corona-Infektion

Die Idee, die Attraktion am Dresdner Postplatz für einen Tag umzubenennen und die Tageseinnahmen für den guten Zweck einzusetzen, wurde von Stadtfest-Planer Frank Schröder und Schausteller Oskar Bruch unterstützt. Die Summe konnte sogar geteilt werden. Leon hat seinen Begleithund, einen Labradoodle. Die andere Hälfte ging an die Dresdner Krankenhäuser. „Ich habe der Familie versprochen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um für sie da zu sein“, sagte Knipping zu seinem Engagement – und erklärte: „Ich habe auch einiges in meinem Leben durchmachen müssen. Jetzt vor Kurzem erst etwas, auf das ich gern verzichtet hätte.“

So emotional feierte Tim Knipping sein Tor im DFB-Pokal gegen Paderborn mit der Dresdner Bank und den Co-Trainern Heiko Scholz (l.) und Ferydoon Zandi. Nur Chefcoach Alexander Schmidt (r.) gibt schon neue Anweisungen.
So emotional feierte Tim Knipping sein Tor im DFB-Pokal gegen Paderborn mit der Dresdner Bank und den Co-Trainern Heiko Scholz (l.) und Ferydoon Zandi. Nur Chefcoach Alexander Schmidt (r.) gibt schon neue Anweisungen. © Jan Huebner

Im Mai starb Knippings Stiefvater Michael an den Folgen einer Corona-Erkrankung. „Er hatte einen unglaublich großen Stellenwert in meinem Leben. Familie bedeutet für mich alles, denn sie ist zusammen mit meinen Freunden mein Leben.“ Die Sommerpause verbrachte er bei seiner Mutter, um sie zu unterstützen. Ihr widmete er sein erstes Tor, das er für Dynamo erzielte. Es war der Ausgleich zum 1:1 gegen den Hamburger SV, danach traf er auch beim 2:1-Sieg im DFB-Pokal gegen Paderborn.

Die Verletzung ist ein Schock. Für ihn und für Dynamo. Knipping fehlt eben nicht nur als Abwehrspieler, sondern als Persönlichkeit. Einer wie er ist nicht einfach durch einen Transfer zu ersetzen. „Unser Blick richtet sich dabei in allererster Linie auf die Spieler, die schon zu unserem Kader gehören“, erklärt Becker deshalb. „Wir müssen den Ausfall von Tim als gesamte Gruppe auffangen.“ Der von Knipping vorgelebte und geförderte Zusammenhalt muss sich jetzt also erst recht zeigen, denn nominell gibt es mit Kapitän Sebastian Mai, Michael Sollbauer, Michael Akoto, Paul Will, Antonis Aidonis und Kevin Ehlers, der nach Muskelfaserriss trainiert, ausreichend Alternativen fürs Abwehrzentrum.