SZ + Bautzen
Merken

Das waren 2023 die spannendsten Prozesse an den Gerichten in Bautzen und Kamenz

Göttliche Erscheinungen, ein Toter im Teich, kostümierte Angeklagte und ein Lügendetektor: Vor Gericht kam 2023 manch Spannendes und Skurriles ans Licht.

Von Tim Ruben Weimer
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Corona-Prozesse; Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken; vermummte Aktivisten und ein altertümlich wirkendes Gerät: An den Bautzener Gerichten ging es auch im Jahr 2023 hoch her.
Corona-Prozesse; Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken; vermummte Aktivisten und ein altertümlich wirkendes Gerät: An den Bautzener Gerichten ging es auch im Jahr 2023 hoch her. © Archivfotos: SZ/Uwe Soeder, Steffen Unger, Lausitznews

Bautzen. Vor Gericht trifft man die unterschiedlichsten Charaktere. Die einen geben wehmütig zu, eine Katze aus Notwehr erstochen zu haben, die anderen bestreiten bitterernst, für das Brandloch im Ärmel des Ehepartners verantwortlich zu sein. Das waren die skurrilsten, spannendsten und dramatischsten Gerichtsprozesse im Jahr 2023 in Bautzen und Kamenz.

Heibo-Demonstranten verkleiden sich vor Gericht

Einen der kuriosesten Prozesse führte das Amtsgericht Bautzen gegen drei Umweltaktivisten, die sich am 15. Februar 2023 entgegen der behördlichen Anordnung geweigert hatten, das künftige Kiesabbaugebiet Heidebogen bei Ottendorf-Okrilla zu verlassen. Stattdessen ketteten sie sich in einem Baumhaus an.

Lange Zeit tappte das Gericht im Dunkeln, gegen wen eigentlich verhandelt wird. Denn die Aktivisten gaben ihre Namen nicht preis. Vor Gericht erschienen sie mit Sonnenbrille, Mütze und FFP2-Maske, einer der Aktivisten verkleidete sich sogar als Frau. Die "unbekannte Person Heibo 14" stellte sich schlussendlich bei einer gerichtlich angeordneten Observierung als Felina D. mit Schweizer Pass heraus. Das Gericht verurteilte sie im Dezember zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe, ihr Verteidiger hat dagegen Berufung eingelegt. Gegen zwei weitere Aktivisten wurden Geldstrafen verhängt, ein weiterer hat sich bislang dem Verfahren entzogen.

Afghanischer Flüchtling sticht blinden Rentner nieder

Die höchste Freiheitsstrafe gegen einen Bautzener hat das Landgericht Görlitz 2023 gegen einen 23-jährigen Flüchtling aus Afghanistan ausgesprochen. Fünf Jahre und sechs Monate sitzt er nun im Gefängnis, weil er einen blinden Rentner aus Bautzen in dessen Wohnung mit einem Küchenmesser niedergestochen hatte. Das 70-jährige Opfer überlebte nur knapp.

Der Rentner hatte den seit 2016 in Deutschland wohnenden Flüchtling bei der Jobsuche und auch finanziell unterstützt. Sein neuer Arbeitgeber kümmerte sich um ihn und nahm ihn in seine Familie auf. Doch der junge Afghane scheiterte in der Arbeitswelt, der Asylprozess stockte, und er fing an, über WhatsApp Drohnachrichten zu verschicken. Danach versuchte er, sich im Wald umzubringen. Als das misslang, nahm er sich seine einzige Bezugsperson, den blinden Rentner, vor.

Freilerner weigern sich, Bußgelder zu zahlen

Am Bautzener und Kamenzer Amtsgericht stand im Jahr 2023 jeweils ein Elternpaar vor Gericht, das seine Kinder nicht zur Schule schickt und deswegen wiederholt Bußgelder kassierte. "Unser neunjähriger Sohn möchte nicht in die Schule", erklärten Eltern aus Malschwitz. Ihr Sohn könne selbst entscheiden, wann er was lernen möchte. Pro geschwänztem Tag fordert das Landratsamt zehn Euro Bußgeld. Dagegen legten die Eltern Einspruch ein, den das Gericht aber verwarf. Einsicht zeigten die Eltern nicht. Auch in Kamenz wies das Gericht einen Einspruch zurück.

Corona beschäftigt die Gerichte noch immer

Während die Corona-Pandemie längst Geschichte ist, beschäftigen die daraus hervorgegangenen Ordnungswidrigkeits-Prozesse die Gerichte noch immer, auch noch bis ins Jahr 2024. In vielen Fällen war gegen Versammlungsauflagen verstoßen worden. Die Beklagten lassen die Bußgelder oft nicht auf sich sitzen. Zum Teil im 20-Minuten-Takt werden diese Verfahren am Bautzener Amtsgericht bearbeitet und zum größten Teil eingestellt.

Anders geht das Gericht mit jenen um, die auf den Corona-Demos mutwillig handgreiflich wurden. Einen 25-Jährigen, der auf einer Demo Quarzhandschuhe trug und eine Polizistin wegzog, erwarteten acht Monate auf Bewährung. Sechseinhalb Monate bekam ein anderer, der einem Polizisten in den Nacken gespuckt, einem anderen gegen den Kopf geschlagen hatte.

Unbehelligt blieb Eckhart Schumann, Versammlungsleiter der Bautzener Montagsdemos, dem vorgeworfen wurde, bei einer Demo zu viele Teilnehmer zugelassen zu haben. Zahlen musste dagegen Mitorganisator Veit Gähler, weil er 2020 sein Spielwarengeschäft "Holzwurm" ohne Hygienekonzept geöffnet hatte. Eine beliebte Landärztin aus der Nähe von Bautzen musste 10.000 Euro zahlen, weil sie gefälschte Corona-Atteste ausgestellt haben soll.

Darf man das Z-Symbol zeigen oder nicht?

Darf man das Z-Symbol, das Russland im Krieg gegen die Ukraine verwendet, öffentlich zeigen oder nicht? Die Bautzener Gerichte waren sich 2023 uneins. Das Amtsgericht hatte im Februar eine 36-jährige Wilthenerin genau aus diesem Grund zu einer Geldstrafe von 750 Euro verurteilt, denn das Zeigen des Z-Symbols störe das öffentliche Rechtsempfinden. Zuvor hatte es der Richter jedoch abgelehnt, den Fall zu verhandeln. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft kam er aber doch vor Gericht.

Sieben Monate später kippte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichtes wieder. Das Z-Symbol sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, weil es nicht geeignet sei, den innerdeutschen Frieden zu stören.

Randalierer in der Bautzener Innenstadt

In der Bautzener Innenstadt ist so einiges los, und das bekam im Jahr 2023 auch das Gericht zu spüren. Zwei Inder, die im betrunkenen Zustand immer wieder auf der Reichenstraße randalierten, hat das Gericht wiederholt verurteilt. Einer von ihnen muss für zwei Jahre ins Gefängnis, unter anderem wegen eines räuberischen Diebstahls im Edeka im Husarenhof. Er könnte vorzeitig wieder freikommen, weil er im Gefängnis Fortschritte macht.

Ein weiterer Täter wurde nach einem Raub im Edeka am Kornmarkt zu mehr als drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Frauenmörder aus Meißen bleibt im Gefängnis

Schon 2019 hätte er, 15 Jahre nachdem er einer 58-Jährigen in der Nähe von Meißen durch den Kopf geschossen und sie danach unter der Kellertreppe eingemauert hatte, wieder freikommen können. Doch Falko F. sitzt immer noch im Knast, weil er jegliche Behandlung verweigert und weiterhin behauptet, unschuldig zu sein. Inzwischen ist er von Bautzen jedoch in ein Gefängnis an der Ostseeküste verlegt worden.

Haftstrafen für mehrere Schleuser

Die 2023 stark gestiegene Zahl illegaler Grenzübertritte machte sich auch an den Gerichten bemerkbar. Eng zusammengepfercht saßen zehn arabische Migranten in dem gemieteten VW-Kleintransporter, den ein studierter Arzthelfer aus Syrien fuhr. Der Richter zeigte Gnade: "Sie sind nicht der Menschenhändler, Sie sind nur der Transporteur" und verhängte eine Bewährungsstrafe.

Zwei Monate später war eine Bewährungsstrafe keine Option: Drei Kinder saßen in einem völlig überladenen Auto. Eine Weißrussin, die mit ihrem Auto auf der A4 einen Unfall gebaut hatte, bestritt unter Einsatz aller motorischen Fähigkeiten, von der Herkunft ihrer Fahrgäste gewusst zu haben.

Lügendetektor sorgt für Freispruch in Missbrauchsprozess

Von einem drastischen Vorwurf freigesprochen wurde ein Mitarbeiter der Oberlausitzer Werkstätten. Eine geistig behinderte Mitarbeiterin hatte ihm vorgeworfen, sie sexuell missbraucht zu haben. Der Angeklagte unterzog sich jedoch freiwillig einem Lügendetektor-Test und absolvierte ihn mit Bravour. Das Opfer hatte, so die Aussage eines Sachverständigen, vermutlich eine tatsächlich vorgefallene Tat auf den unschuldigen Mitarbeiter projiziert.

Ägypter versuchte, Kinder zu entführen

Jesus hatte ihm befohlen, ein Kind zu entführen. Das behauptete ein 30-jähriger Ägypter, der mehrfach versucht hatte, in Gaußig und Demitz-Thumitz Kinder aus Kinderwagen zu entführen. Das Gericht glaubte nicht an eine göttliche Weisung und wies den Verwirrten in die Psychiatrie ein.

Tod im Brauereiteich nach Saufgelage

Drei Männer, die 2021 ihren Saufkumpan in Pulsnitz in den Brauereiteich geworfen und damit dessen Tod verursacht hatten, sitzen seit dem Jahr 2023 in der Entziehungsanstalt. Das Saufgelage war ein wesentlicher Grund für die grausame Tat. Als einer der drei Männer nach mehreren Minuten nachschaute, warum sein übergewichtiger und gesundheitlich angeschlagener Kumpel nicht mehr auftauchte, war es bereits zu spät.