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Corona-Proteste: Der Ton wird rauer

Jeden Montag versammeln sich Menschen auf Bautzens Kornmarkt. Neben Kritik an Corona-Maßnahmen sind dort auch immer öfter Aufrufe zum Widerstand zu hören.

Von David Berndt
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Beamte der Polizei sichern die Corona-Proteste auf dem Bautzener Kornmarkt. Immer wieder fordern Teilnehmer dort die Polizisten auf, sich Dienstanweisungen zu widersetzen.
Beamte der Polizei sichern die Corona-Proteste auf dem Bautzener Kornmarkt. Immer wieder fordern Teilnehmer dort die Polizisten auf, sich Dienstanweisungen zu widersetzen. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Sieben Mal haben die Corona-Proteste am Montagabend auf dem Bautzener Kornmarkt seit dem 8. Februar stattgefunden und zwei Dinge sind dabei zu erkennen: Es nehmen immer mehr Menschen daran - und der Ton wird rauer. 50 Teilnehmer waren es bei der ersten Versammlung, 240 am vorigen Montag.

Wer steht hinter den Versammlungen?

Bei den Corona-Protesten unter dem Motto „Für Frieden, Freiheit, Wahrheit und Wiederherstellung der Grundrechte“ kommen vor allem ein Mann, der mutmaßlich Versammlungsleiter ist und sich Edgar nennt, sowie Ordner Veit Gähler zu Wort.

Der Versammlungsleiter sprach auf dem Bautzener Kornmarkt von einer Pflicht der Beamten, sich Anordnungen zu widersetzen.
Der Versammlungsleiter sprach auf dem Bautzener Kornmarkt von einer Pflicht der Beamten, sich Anordnungen zu widersetzen. © Steffen Unger

Veit Gähler gründete im Herbst 2015 in Bautzen einen Ableger der asylkritischen Wir-sind-Deutschland-Bewegung. Seit 2016 verbreitet er mit dem Online- und Druckmedium „Denkste mit“ Verschwörungserzählungen. Dort wird auch für die Versammlungen auf dem Kornmarkt geworben. Veit Gähler, der in Bautzen den Spielzeugladen "Holzwurm" betreibt, wirkte bereits im vorigen Frühjahr an den Corona-Protesten zwischen Korn- und Hauptmarkt mit und war im November als Ordner bei Corona-Protesten vor dem Landratsamt dabei.

Der Arbeitskreis Richtiges Spielzeug (ARS) hatte Gähler Ende 2020 ausgeschlossen. Grund für den Rausschmiss sei Gählers Darstellung in der ARD-Sendung Monitor als Corona-Leugner gewesen. Zudem habe er bedenkliche politische Literatur im Schaufenster ausgestellt, argumentierte der Arbeitskreis. Sein Geschäft gehörte auch zu den Läden in Bautzen, die Kunden ohne Maske willkommen hießen und das mit Schildern an Schaufenstern oder Eingangstüren kommuniziert hatten.

Gegenüber Sächsische.de will sich Veit Gähler nicht zu den Versammlungen äußern.

Veit Gähler, Bildmitte, ist auf den Versammlungen auf dem Bautzener Kornmarkt als Ordner und Redner aktiv.
Veit Gähler, Bildmitte, ist auf den Versammlungen auf dem Bautzener Kornmarkt als Ordner und Redner aktiv. © SZ/Uwe Soeder

Die Bautzener sind in der Region vernetzt, etwa mit Querdenken 351 in Dresden. Dort kamen trotz Verbots der Querdenken-Versammlung am 13. März tausende Menschen zusammen. Es gab hunderte Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Schutz-Verordnung und Angriffe auf Polizeibeamte.

Was fordern die Teilnehmer in Bautzen?

Eine angeblich gelenkte Pandemie für eine neue Weltordnung, ein Staatsstreich von oben, Kritik an den Corona-Maßnahmen und Widerstand, vor allem durch Polizeibeamte, sind zentrale Punkte und Forderungen, die bei den Versammlungen immer wieder zur Sprache kommen. Ein Versammlungsteilnehmer rief am vergangenen Montag deutlich hörbar „Polizei muss weg“.

Eine Sprecherin richtete sich am 22. Februar an die Polizeibeamten. „Liebe Polizisten, lasst Euch nicht missbrauchen und zum Werkzeug derer machen, die sich diesen Wahnsinn ausgedacht haben.“ Die Beamten sollten ihr „Recht zur Remonstration“ nutzen, fügte sie hinzu. Das wurde nicht nur von ihr gefordert.

Unter Remonstration ist eine Einwendung zu verstehen, die ein Beamter gegen eine Weisung erhebt, die er von seinem Vorgesetzten erhalten hat. Bei dem Paragrafen 63 des Bundesbeamtengesetzes geht es um die „Verantwortung für die Rechtmäßigkeit“. Demnach müssen Beamte Bedenken gegen Anordnungen melden und könnten diese verweigern, wenn sie sich andernfalls strafbar machen oder die Würde des Menschen verletzen würden.

Das Sächsische Staatsministerium des Innern erklärt auf Anfrage, dass bislang zwei Remonstrationsvorgänge bekannt seien. „In beiden Fällen wurde die Tragepflicht einer Mund-Nasen-Bedeckung im Dienst in Frage gestellt. Ein Zusammenhang mit Versammlungseinsätzen bestand nicht.“ Beide Begehren seien als unbegründet zurückgewiesen worden.

Beim Thema Widerstand sieht Veit Gähler nicht nur die Polizei in der Pflicht und beruft sich auf den Artikel 20 des Grundgesetzes. Bei mehreren Versammlungen behauptete er, dass man gerade einen „Staatsstreich von oben“ erlebe. „Hier gilt es, Widerstand zu leisten. Jeder, der diesen Staatsstreich unterstützt und die daraus resultierenden Maßnahmen mit durchsetzt, macht sich haft- und strafbar.“

Bei den Versammlungen auf dem Bautzener Kornmarkt spielt auch das Thema Mobilfunk "5G" eine Rolle. Das rote Kreuz auf der Maske etwa dieses Teilnehmers bedeutet, die Maskenpflicht abzulehnen, erklärte der Versammlungsleiter.
Bei den Versammlungen auf dem Bautzener Kornmarkt spielt auch das Thema Mobilfunk "5G" eine Rolle. Das rote Kreuz auf der Maske etwa dieses Teilnehmers bedeutet, die Maskenpflicht abzulehnen, erklärte der Versammlungsleiter. © Steffen Unger

Zudem werden bei den Versammlungen Plakate gezeigt, die eine neue Weltordnung verhindern wollen oder vor einer „Gen-Impfung“ und dem Mobilfunknetz „5G“ warnen, weil damit angeblich die Weltbevölkerung kontrolliert werden soll.

Das Kulturbüro Sachsen ordnet Teile der Aussagen und Plakate als Verschwörungserzählungen ein, „die geeignet sind, das Vertrauen in die Maßnahmen der Bundesregierung, aber auch in die demokratischen Institutionen allgemein zu unterminieren“. Narrative einer neuen Weltordnung würden einfache Erklärungen für tiefgreifende gesellschaftliche Ereignisse wie die Corona-Pandemie bieten. Die Erzählungen „einer im Geheimen operierenden Macht-Elite, die die Menschheit durch Zwangsimpfungen unterdrücken und kontrollieren will“, erzeugten eine „einfältige Gut-Böse-Konstruktion“.

Fachreferent Benjamin Winkler von der Amadeu Antonio Stiftung in Sachsen erklärte im November im Interview mit Sächsische.de, dass es „in der Region Bautzen eine Häufung von Vorfällen mit Verschwörungserzählungen“ gibt.

Wie bewertet die Polizei die Lage?

Bislang habe es keine größeren Vorkommnisse bei den Versammlungen auf dem Kornmarkt gegeben, teilt ein Sprecher der Polizeidirektion Görlitz mit. „Trotz der nicht homogenen Gruppe der Teilnehmer verliefen die bisherigen Demonstrationen friedlich und störungsfrei.“

Die Teilnehmer hielten sich an die Auflagen, es sei nicht zu strafbaren Handlungen gekommen. „Derzeit hat die Polizei keinen Anlass, für die zukünftigen Versammlungen eine andere Lage zu prognostizieren.“ (mit SZ/uwo, SZ/the)

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