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Was wurde aus den Spettmann-Häusern in Görlitz?

Die Spettmanns und Loreen Peters kauften 2021/22 zehn Häuser in Görlitz: Zwei auf dem freien Markt und acht bei Zwangsversteigerungen. Seither ist ziemlich viel passiert.

Von Ingo Kramer
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Jamal Isawi ist Vorarbeiter bei der Beräumung des Hauses Landeskronstraße 38 in Görlitz. Momentan liegt der komplette Hof voller Holz und Bauschutt, teilweise zwei Meter hoch.
Jamal Isawi ist Vorarbeiter bei der Beräumung des Hauses Landeskronstraße 38 in Görlitz. Momentan liegt der komplette Hof voller Holz und Bauschutt, teilweise zwei Meter hoch. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Es staubt gewaltig in der Görlitzer Landeskronstraße. Aus den Fenstern der Nummer 38 dringen graue Wolken, im Hinterhof sieht es noch viel wilder aus: Bis zu zwei Meter hoch türmen sich dort Holz und Bauschutt. Vorarbeiter Jamal Isawi spricht von 60 Kubikmetern, die zu entsorgen sind. Seine Kollegen bringen derweil im Minutentakt Schubkarre um Schubkarre voller Bauschutt aus dem Hausinneren in den Container, der auf der Straße steht.

Die Fassade des Hauses Landskronstraße 38 in Görlitz ist eingerüstet.
Die Fassade des Hauses Landskronstraße 38 in Görlitz ist eingerüstet. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

„Das Haus steht seit 1992 leer“, sagt Isawis Chef. (Korrektur einer SZ-Leserin: Seit 1997.) Der Chef lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Doch weil er ursprünglich von woanders kommt, will er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Besitzer sei er ohnehin nicht, sagt der Mann: „Meine Frau hat das Haus gekauft.“ Die heißt Julia Fritsch und ist deutsch. Das Ehepaar lebt in Berlin, beide sind um die 50 Jahre alt und beschäftigen sich beruflich mit Immobilien. „Ich habe schon viele Häuser in Berlin saniert, die waren teilweise in einem noch viel schlechteren Zustand als dieses hier“, erklärt der Mann. Zum Teil verkaufe er sie nach der Sanierung, zum Teil vermiete er.

Doch mittlerweile gebe es in Berlin kaum noch unsanierte Häuser. Deshalb seien seine Frau und er jetzt auf Sachsen und Thüringen ausgewichen. In Zittau hat das Ehepaar schon einige Häuser gekauft und ist gerade an weiteren dran. Und Görlitz? „Kannte ich vorher nicht“, sagt der Mann. Das Haus Landeskronstraße 38 habe er im Internet entdeckt, auf Kleinanzeigen.de.

Drinnen wird alles entkernt, sodass die Deckendurchbrüche gut sichtbar sind.
Drinnen wird alles entkernt, sodass die Deckendurchbrüche gut sichtbar sind. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Verkäuferin war Loreen Peters, die Vertraute des Immobilienspekulanten Karl-Leo Spettmann. Sie hatte das Haus im Dezember 2022 auf einer Zwangsversteigerung für 43.500 Euro erworben. „Ich habe ihr fast das Doppelte dafür bezahlt“, sagt der Berliner: „Aber der Preis hat mich nicht interessiert.“ Er habe Bilder von dem Haus gesehen – und sei von der historischen Fassade dermaßen begeistert gewesen, dass er das Haus sofort gekauft habe. Erst danach habe er es sich von innen angeschaut. Und war wenig begeistert: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dort auf so viel Schwamm und Schimmel stoße.“ Doch das Haus stand jahrzehntelang leer, es hatte eingeregnet, Decken waren durchgebrochen.

Welche Erfahrungen er mit Loreen Peters gemacht habe? So richtig könne er das noch nicht sagen: „Es fehlen noch Papiere.“ Deshalb sei noch gar nicht alles eingetragen. Trotzdem hat er schon vor vier Wochen zusammen mit einer Baufirma aus Berlin begonnen, den Schutt zu beräumen. Er sei nach wie vor begeistert von der Landeskronstraße: „Sie erinnert mich immer an Frankreich, wo ich oft bin.“

In der ersten Etage türmt sich Bauschutt, doch Arbeiter sind jetzt dabei, diesen zu beräumen.
In der ersten Etage türmt sich Bauschutt, doch Arbeiter sind jetzt dabei, diesen zu beräumen. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Jetzt will er möglichst schnell Nägel mit Köpfen machen. Sobald die Berliner Firma mit den Abrissarbeiten fertig ist, will er das Haus an Görlitzer Firmen übergeben. Die sollen bis Juni die äußere Hülle fertigstellen, also Dach, Fassade und Fenster. Anschließend soll es an den Innenausbau gehen. „Mein Ziel ist es, dass vor dem Winter alles fertig ist – wenn es gut läuft“, sagt der Mann von Julia Fritsch.

Das Ziel wirkt sehr ambitioniert, wenn man bedenkt, dass das Haus voller Schwamm und Schimmel ist. Zudem könne er noch nicht abschätzen, welche Überraschungen es noch berge. Eine große Überraschung hat er längst entdeckt: Es gibt zwei Kelleretagen. „So etwas habe ich anderswo noch nie gesehen“, sagt er. Und plant, den oberen der beiden Keller als Wohnung oder Arztpraxis herzurichten. Zur Straßenseite ließen sich die Schächte öffnen, sodass Licht hineingelange. Zur Hofseite hingegen seien richtig große Fenster möglich: „Die gab es auch vorher schon, nur durch die Schuttberge sieht man sie derzeit nicht.“ Eine Kellerwohnung habe auch eine Terrasse im Hinterhof.

Schutt über Schutt: So sieht es derzeit auf dem Hinterhof aus.
Schutt über Schutt: So sieht es derzeit auf dem Hinterhof aus. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Bisher hat das Ehepaar nur die Baugenehmigung für die äußere Hülle, noch nicht aber für den Innenausbau: „Leider ist die Görlitzer Denkmalbehörde ein bisschen langsam und die Auflagen sind groß.“ Erschwerend kommt hinzu, dass er noch nicht genau weiß, was aus dem Haus werden soll. „Ich habe zwei Optionen“, sagt der Mann: „Entweder normale Wohnungen oder ein Betreutes Wohnen.“ Ursprünglich habe er eine Luxussanierung angedacht. Doch dann sei ihm aufgefallen, dass das Umfeld auf der Landeskronstraße das vielleicht nicht hergibt: „Die Straße ist nicht belebt, es gibt kaum offene Läden.“ So sei er vom Luxus-Gedanken abgekommen und will nun stattdessen eher im mittleren Preissegment bleiben. Da müsse er hinterher keinen so hohen Miet- oder Kaufpreis ansetzen – und finde leichter Mieter oder Käufer. Ob er vermietet oder verkauft, sei momentan noch nicht entschieden.

„Wenn das Haus richtig im Zentrum wäre, würde ich auf Luxus setzen“, sagt er. Noch sei die Landeskronstraße 38 sein einziges Haus in Görlitz, aber er verhandle gerade über weitere Immobilien. Gut möglich also, dass man von Julia Fritsch und ihrem Mann noch öfter hören wird.

Karl-Leo Spettmann aus Geldern ist das Familienoberhaupt der Familie, die sich in Görlitz einen fragwürdigen Namen gemacht hat.
Karl-Leo Spettmann aus Geldern ist das Familienoberhaupt der Familie, die sich in Görlitz einen fragwürdigen Namen gemacht hat. © Foto: Express

Doch auch von Familie Spettmann gibt es einige Neuigkeiten. Als Vater und Sohn im März 2021 erstmals im Amtsgericht Görlitz auftauchten, behaupteten sie gegenüber dem SZ-Reporter, Leonardo Spettmann zu heißen. Und zwar alle beide. Das war schon damals gelogen. Der Vater heißt Karl-Leo Spettmann und ist ein Schlüsseldienstbetrüger, der damals seit zwei Monaten auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er hatte seit August 2016 eingesessen. Bei seinem Verfahren war es um gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Steuerhinterziehung, Wucher und vieles mehr gegangen. Später musste er ins Gefängnis zurückkehren.

Leonardo Spettmann (rechts) heißt jetzt Leonardo Schneider.
Leonardo Spettmann (rechts) heißt jetzt Leonardo Schneider. © Foto: Express

Sein Sohn indes hieß tatsächlich Leonardo Spettmann. Aber das hat sich mittlerweile geändert, wie auf einer seiner Firmenseiten im Internet ersichtlich ist. Demnach hat er mittlerweile den unauffälligeren Namen Leonardo Schneider angenommen, möglicherweise durch Heirat.

Seine Schwester Anastasia indes ist kürzlich Mutter geworden. Sie war es, über deren Firma Gelago Immobilien auch die Görlitzer Häuser im Jahr 2021 verkauft werden sollten. Das scheiterte, später übernahm Spettmanns Vertraute Loreen Peters den Verkauf. Mittlerweile steht es auch um die Firma Gelago nicht mehr gut: Mit Beschluss des Amtsgerichtes Düsseldorf ist im November ein Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma gestartet. Der Beschluss liegt der SZ vor. Eine Krankenkasse hatte den Antrag gestellt – wegen Beitragsrückständen zur Sozialversicherung. Mittlerweile wurde das Geld aber bezahlt, sodass das Thema vorerst erledigt ist.

Anastasia Spettmann bot die Görlitzer Häuser über ihre Gelago Immobilien GmbH zum Weiterverkauf an. Im November ist ein Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma gestartet.
Anastasia Spettmann bot die Görlitzer Häuser über ihre Gelago Immobilien GmbH zum Weiterverkauf an. Im November ist ein Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma gestartet. © Foto: Express

Nicht erledigt ist hingegen das Thema Loreen Peters: Immer wieder melden sich Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet bei der SZ in Görlitz, um über die dubiosen Machenschaften von Spettmanns Vertrauter zu berichten. Die Masche von Loreen Peters ist überall die gleiche: Sie erwirbt Ruinen bei Zwangsversteigerungen – und bietet diese sofort danach auf Kleinanzeigen.de zu überhöhten Preisen zum Weiterverkauf an. Mehrere Anrufer haben zuletzt berichtet, dass Loreen Peters bei Gericht lediglich die Anzahlung geleistet, nicht aber den vollen Betrag bezahlt haben soll. Teilweise sei es inzwischen bereits zur zweiten Zwangsversteigerung gekommen, bei der sie erneut die Höchstbietende war. Dafür gründet sie ständig neue Firmen mit einem extrem niedrigen Stammkapital. Die vergangenen Wochen hat sie in Florida verbracht – möglicherweise dank des Geldes aus den Immobiliengeschäften.

Und was wurde aus den anderen Görlitzer Spettmann-Häuser? Hier eine Übersicht:

Bismarckstraße 18: Das marode Haus mit der wunderschönen Fassade war das erste, das Spettmann im März 2021 ersteigerte. Inzwischen wurde es verkauft – an eine in Krakau lebende Deutsche. Sie hat in den vergangenen Jahren mehrere Häuser in Görlitz gekauft und plant, diese nach und nach zu sanieren. Bis es soweit ist, kümmert sich eine Görlitzer Hausverwaltung um das Gebäude.

Verkauft an Maxim Nikanorov aus Berlin: Das Haus James-von-Moltke-Straße 35.
Verkauft an Maxim Nikanorov aus Berlin: Das Haus James-von-Moltke-Straße 35. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

James-von-Moltke-Straße 35 und Schillerstraße 25: Maxim Nikanorov aus Berlin hat beide Häuser gekauft. Er macht Nägel mit Köpfen: In der James-von-Moltke-Straße ist die Notsicherung mittlerweile fast abgeschlossen und soll nahtlos in die Sanierung übergehen. Das riesige Eckhaus hat eine Nutzfläche von 1.500 (!) Quadratmetern. Hier ist also viel Arbeit nötig. Doch nach allem, was man hört, ist Nikanorov solvent und wirklich an einer Sanierung interessiert. Das Haus Schillerstraße 25 hat er nun ebenfalls eingerüstet und mit einem neuen Schloss versehen. Auch hier dürfte mindestens die Sicherung direkt bevorstehen. Für Nachfragen war Nikanorov diese Woche nicht erreichbar. Interessantes Detail an der Schillerstraße 25: Loreen Peters hat dieses Haus bei einer Zwangsversteigerung für 150.100 Euro erworben und später für 58.250 Euro an Nikanorov weiterverkauft. Allein mit diesem Haus hat sie also einen Verlust von über 90.000 Euro eingefahren.

Ebenfalls verkauft an Maxim Nikanorov aus Berlin: Das Haus Schillerstraße 25.
Ebenfalls verkauft an Maxim Nikanorov aus Berlin: Das Haus Schillerstraße 25. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Hohe Straße 11: Spettmanns haben das völlig marode Eckhaus zur Jahnstraße einst für weniger als 12.500 Euro von einem Privatbesitzer erworben und später für eine derzeit noch unbekannte Summe an einen Mann aus den alten Bundesländern weiterverkauft. Der ist damit aber offenbar auch nicht glücklich geworden: Er versucht momentan zusammen mit der Görlitzer Maklerin Renata Urdas, das Haus weiterzuverkaufen. Im Internet wird es aktuell für 39.000 Euro angeboten. Renata Urdas glaubt, dass sich dieser Preis aber nicht erzielen lässt – zumal das Haus in einem so schlechten Zustand ist, dass der aktuelle Eigentümer kürzlich die Fußwege und Parkplätze vor dem Gebäude absperren lassen hat – aus Angst, dass Dachziegel abstürzen könnten. „Der Eigentümer hat eine Firma beauftragt, sich das anzusehen und in Ordnung zu bringen“, erklärt die Maklerin. Sie hatte in jüngster Zeit schon einige Besichtigungstermine mit Kaufinteressenten. Nachdem diese den Zustand des Hauses, die durchgebrochenen Decken und den Sanierungsaufwand gesehen haben, hätten aber alle abgewunken, erklärt Renata Urdas. Dennoch ist sie optimistisch, einen Käufer zu finden: „Wenn ich keine Hoffnung hätte, würde ich es nicht machen.“

Verkauft an jemanden, der es nun ebenfalls weiterverkaufen will: Das Haus Hohe Straße 11/Ecke Jahnstraße.
Verkauft an jemanden, der es nun ebenfalls weiterverkaufen will: Das Haus Hohe Straße 11/Ecke Jahnstraße. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Rauschwalder Straße 53: Das war Spettmanns größter Fehlkauf in Görlitz: Von dem Gebäude stehen nur noch ein paar Hausreste. Dennoch bezahlte er bei einer Versteigerung vor mittlerweile exakt drei Jahren 70.000 Euro dafür – das 25-fache des Verkehrswertes. Weil Spettmann und Co. später ihre Grundsteuer nicht vollständig bezahlten, ließ die Stadt das Gebäude Ende 2022 erneut zwangsversteigern. Diesmal erwarb Loreen Peters die Hausreste für weitere 3.100 Euro. Bis heute ist sie auf der Ruine sitzengeblieben. Nach wie vor versucht sie, das Haus über das Internetportal Kleinanzeigen.de zu verkaufen. Der Preis variierte innerhalb der drei Jahre immer wieder. Aktuell versucht sie es mit 99.999 Euro.

Krölstraße 1: Auch auf dem Gebäude ist Loreen Peters sitzengeblieben. Ersteigert hat es einer ihrer Komplizen einst für 55.000 Euro, auf Kleinanzeigen.de ist es aktuell für 149.999 Euro im Angebot.

In den Fenstern hängen noch Zettel mit Spettmanns Telefonnummer: Das Eckhaus Jochmannstraße 11/Krölstraße.
In den Fenstern hängen noch Zettel mit Spettmanns Telefonnummer: Das Eckhaus Jochmannstraße 11/Krölstraße. © Martin Schneider

Jochmannstraße 11/Ecke Krölstraße: Ein anderer Komplize ersteigerte auch dieses Eckhaus – für völlig übertriebene 238.003 Euro. Im Internet ist es inzwischen nicht mehr zu finden, aber in den Fenstern im Erdgeschoss hängen noch Zettel mit der Aufschrift „Zu verkaufen, zu vermieten“ und dazu Spettmanns Telefonnummer.

Bahnhofstraße 54 und Heilige-Grab-Straße 83: Zu diesen beiden Häusern ist kein aktueller Stand bekannt. Derzeit existieren weder Verkaufsanzeigen im Internet, noch sind neue Besitzer bekannt. Wer etwas zu diesen beiden oder auch zu allen anderen Häusern sagen kann, melde sich bitte dringend in der Görlitzer SZ-Redaktion unter Telefon 03581 47105262 oder per E-Mail: [email protected]