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Corona: Sind Dresdens Öffnungen sinnlos?

Geschäfte dürfen wieder Termin-Shopping machen, Zoo, Galerien und mehr öffnen. Vieles bleibt aber zu. Wie sinnvoll sind die Lockerungen von OB Hilbert?

Von Andreas Weller
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Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat die Öffnung von Zoo und Co. wieder zugelassen, doch es wird zum Teil wenig genutzt.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat die Öffnung von Zoo und Co. wieder zugelassen, doch es wird zum Teil wenig genutzt. © Marion Doering

Dresden. Am Donnerstag vor Ostern musste Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) alle Lockerungen, die die Stadt verfügt hatte, zurücknehmen. Zoo, Museen, Ladengeschäfte und einiges mehr waren über Ostern dicht, weil die Inzidenz in Dresden - also die festgestellten Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage je 100.000 Einwohner - zu hoch war.

Mit der neuen Coronaschutzverordnung gilt nicht mehr allein die Inzidenz als relevant, sondern die mit Corona-Patienten belegten Krankenhausbetten auf Normalstationen in Sachsen. Seit Dienstag können deshalb die kurz zuvor geschlossenen Einrichtungen wieder öffnen. Doch viele nutzen das nicht. Was die Stadt Dresden dazu sagt.

Mehrheit der Sachsen ist für harten Lockdown

OB Hilbert wollte die Übergangszeit mit seiner Entscheidung überbrücken, damit das Hin und Her vermeiden. Der Freistaat hat ihn dabei ausgebremst. Nun dürfen bestimmte Angebote wieder öffnen - aber auch nur solange, nicht zu viele Krankenhausbetten mit Corona-Patienten belegt sind.

Viele Geschäftsinhaber und Einrichtungen wie der Botanische Garten und das Hygienemuseum machen von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch. Dazu kommt, dass eine knappe Mehrheit der Sachsen laut einer Umfrage für einen harten Lockdown ist. Kommen die städtischen Öffnungen zu früh?

Hilbert ist diese Woche im Urlaub. Aber sein Stellvertreter, Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU), hat dazu eine klare Meinung. "Zum großen Teil sind das ja individuelle unternehmerische Entscheidungen", sagt Sittel. Die Stadt ermögliche Öffnungen. "Ob Aufwand und Nutzen in Relation stehen, muss jeder selbst entscheiden." Schließlich werde im Zweifel mehr Personal und zusätzliche Hygiene benötigt, demgegenüber stehen eine begrenzte Anzahl an Kunden und Besuchern.

Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) führt als OB-Stellvertreter derzeit die Geschäfte im Dresdner Rathaus.
Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) führt als OB-Stellvertreter derzeit die Geschäfte im Dresdner Rathaus. © Sven Ellger

Dazu komme die Unsicherheit, ob und wann wieder geschlossen werden müsse. "Auch wenn Sachsen den innovativen Weg mit den Krankenhausbetten statt der Inzidenz als relevante Zahl geht, ist es nicht genau zu beziffern, wie lange Öffnungen möglich sind", sagt Sittel.

Auch sei bei Geschäften die Situation nicht miteinander vergleichbar - bestimmte Ware lasse sich nur zu bestimmten Zeiten verkaufen. "Wer vorwiegend von Laufkundschaft lebt, hat es schwerer als Geschäfte, die gezielt angesteuert werden." Niemand habe die Pflicht zu öffnen.

"Wir müssen aus dem nur Verbieten heraus"

Sittel sei dafür, möglichst viel zuzulassen, das aber mit der größtmöglichen Sicherheit, also Tests, Hygienekonzepten, Abstand und so weiter. "Wir müssen aus dem nur Verbieten heraus", fordert der OB-Vertreter. Inder Gastronomie könne er sich sehr gut Öffnungen der Außenbereiche vorstellen, wenn strenge Regeln eingehalten werden. "Das ist besser als private Treffen und ungefährlicher", ist sich Sittel sicher.

Auch könne er sich gezielte Lockerungen für Geimpfte vorstellen, wenn alle die Möglichkeit dazu hatten, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. "Wenn es stabile medizinische Erkenntnisse darüber gibt, dass von geimpften Personen keine Gefährdung ausgeht", so Sittel.

Das Grundprinzip in Deutschland sei das Freiheitsprinzip. "Die Einschränkungen dauern jetzt bereits mehr als ein Jahr. Die gedankliche Umkehr, also Verbote durch den Staat, funktioniert für ein paar Wochen. Aber die grundsätzliche Freiheit ist für einen funktionierenden Staat und eine funktionierende Gesellschaft wesentlich."

Ansonsten stelle das den Staat infrage. Wichtig sei aber immer eine fundierte Grundlage und nicht lautstarke Forderungen von Einzelnen. "Entscheidungen von legitimierten Gremien sind wichtiger als Talkshows", sagt Sittel. "Sonst wird die Akzeptanz der Regelungen weiter sinken."

Sittel warnt vor hartem Lockdown

Auch die Ergebnisse der Umfragen, in denen eine knappe Mehrheit der Sachsen einen harten Lockdown befürwortet, sieht Sittel kritisch. "Diejenigen, die nicht damit einverstanden sind, sind ebenfalls ein großer Teil." Es gelte nicht einfach nur das demokratische Prinzip wie etwa bei Wahlen, bei denen eine Stimme entscheiden kann.

Die Gegner der verschärften Corona-Maßnahmen gehen "bis tief in die Mitte der Gesellschaft", sagt Sittel. "Wenn die Folge ist, dass wir die nicht mitnehmen, würde ich davon abraten." Generell könne und solle man nur härtere Maßnahmen verhängen, wenn mildere nicht greifen. "Mit den Tests und so ist mittlerweile aber vieles möglich", so der OB-Vertreter.

Selbstverständlich sei die Gesundheit ein hohes Gut. "Aber Gesundheit ist nicht nur Schutz vor Corona. Insbesondere für Kinder und Ältere sind die psychischen Folgen langfristig nicht absehbar.

Das Wichtigste zum Coronavirus in Dresden:

Sittel stelle eine zunehmende Unzufriedenheit auch in Dresden wegen der Coronaschutzmaßnahmen fest. "Immer mehr Verbote lösen mehr Widerstand aus. Die neue Tendenz ist, dass eine kleine, radikalisierte Gruppe sich dieses Phänomen zunutze macht." Damit meint Sittel Personen wie die Anführer der "Querdenken"-Bewegung.

Auch um dem entgegenzuwirken, seien die Dresdner Öffnungen richtig. "Es geht nicht um unkontrollierte Öffnungen, sondern dort, wo es kontrolliert und mit guten Konzepten erfolgt", sagt Sittel. "Das ist ein gutes Signal und nimmt Druck von anderen Dingen. Ein kontrollierter Biergarten ist besser als Wildwuchs." Zudem sei es auch für die Stadt besser, wenn Gastronomen und Ladenbetreiber wieder Geld verdienen und Steuern zahlen, anstatt viel Geld von Staat und Stadt dauerhaft in Hilfen zu investieren.

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